Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 693
Der Betriebsrat ist in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern vor jeder Versetzung anzuhören. Bei der Versetzung leitender Angestellter muss der Betriebsrat dagegen nur informiert werden, § 105 BetrVG. Versetzung i.S.v. § 99 BetrVG ist unabhängig von dem arbeitsvertraglichen Versetzungsbegriff und der arbeitsvertraglichen Möglichkeit der Versetzung. Diese ist vielmehr separat zu betrachten. Ist die Versetzung mit einer Umgruppierung verbunden, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat auch zu der Umgruppierung anhören (vgl. auch Rdn 685). Es handelt sich betriebsverfassungsrechtlich um zwei gesondert zu behandelnden Maßnahmen. In einem Gemeinschaftsbetrieb müssen die beteiligten Unternehmen gemeinsam die Zustimmung zu einer Versetzung beantragen; dagegen ist für eine etwaige Umgruppierung mitbestimmungsrechtlich nur der Vertragsarbeitgeber zuständig. Das müsste entsprechend auch für das Zustimmungsersetzungsverfahren bei einer Einstellung gelten.
Rz. 694
Versetzung i.S.d. § 99 BetrVG ist in § 95 BetrVG definiert. Danach handelt es sich um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist. Der Begriff Arbeitsbereich wird in § 81 BetrVG wie folgt umschrieben: Aufgabe und Verantwortung, Art der Tätigkeit, Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn sich die neue Tätigkeit des Arbeitnehmers wesentlich von der bisherigen Tätigkeit unterscheidet, sodass sie vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden muss. Dies kann sich aus der Änderung des Arbeitsinhalts und einer damit verbundenen geänderten Verantwortung, aus einem Wechsel des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit oder aus einer Änderung der Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit ergeben.
Rz. 695
Das bedeutet: Nicht jede Veränderung der Tätigkeit macht den bisherigen Arbeitsbereich zu einem anderen Arbeitsbereich. Jeder Arbeitsplatz unterliegt gewissen Änderungen. Erst wenn die üblichen Schwankungen überschritten werden, kann die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs angenommen werden. Die Rechtsprechung tendiert dazu, bei Änderung des Inhalts der Tätigkeit zwischen 20 % und 25 % eine Änderung des Arbeitsbereichs anzunehmen. Allerdings sind diese Prozentzahlen nicht schematisch anzuwenden. Änderungen wichtiger Teilaufgaben können auch unterhalb dieser Prozentschwelle ausnahmsweise als Versetzung i.S.d. § 99 BetrVG gewertet werden.
Rz. 696
Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs muss entweder länger als ein Monat dauern. Dann ist die Maßnahme stets mitbestimmungspflichtig, oder die Zuweisung des anderen Arbeitsbereichs dauert nur bis zu einem Monat; dann muss die Änderung der Arbeitsumstände erheblich sein. Die dauerhafte Änderung des Arbeitsortes ist immer eine Versetzung. Ausnahme: Der Ortswechsel vollzieht sich innerhalb derselben Stadt und es gibt auch sonst keine erschwerten Umstände. Der vorübergehende oder dauerhafte Wechsel in das Home-Office (oder zurück in den Betrieb) dürfte aber regelmäßig der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterliegen. Dagegen sind etwa kurzfristige Veränderungen des Arbeitsorts durch gewöhnliche Dienstreisen mitbestimmungsfrei. Darüber hinausgehende kurzfristige Änderungen des Arbeitsorts, etwa der Einsatz als Streikbrecher in einer anderen Stadt oder einem anderen Land, können unter § 99 BetrVG fallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. Bei einer dauerhaften Versetzung in einen anderen Betrieb hat der Betriebsrat des abgebenden Betriebs nur dann ein Mitbestimmungsrecht wegen Versetzung, wenn der Arbeitnehmer nicht einverstanden ist.
Rz. 697
Eine wesentliche Änderung des Arbeitsbereichs und damit eine Versetzung gemäß § 99 BetrVG kann auch darin liegen, dass der Betroffene bei gleichbleibender Tätigkeit einer anderen Abteilung mit anderen Arbeitskollegen und anderem Vorgesetzen mit relevanten Personalbefugnissen zugewiesen wird. Dagegen ist die Änderung der Arbeitszeiten keine Versetzung, auch nicht die Reduzierung oder die Aufstockung der Wochenarbeitszeit. Letzteres kann aber eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG sein (vgl. Rdn 680). Außerdem können Veränderungen der Arbeitszeit Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG auslösen. Auch die Freistellung eines Arbeitnehmers ist keine Versetzung.
Rz. 698
Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung setzt nicht einen einzigen Versetzungsakt des Arbeitgebers voraus. Vielmehr kann eine Versetzung dadurch geschehen, dass sich die Arbeitsumstände nach und nach bis zur Erheblichkeitsschwelle ändern. Versetzungen müssen schließlich auf Initiative des Arbeitgebers beruhen. Das bedeutet im Um...