Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 656
Dem Betriebsrat steht – anders als iRd BPersVG – ein Initiativrecht bei Einführung eines betrieblichen Vorschlagswesens zu, wobei kein Vorprüfungsrecht existiert, ob überhaupt ein Bedürfnis für die Schaffung eines betrieblichen Vorschlagswesens gegeben ist, sondern dies ggf. die Einigungsstelle im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung berücksichtigen muss, und auch die mit dem Initiativrecht verbundenen Folgekosten auf Arbeitgeberseite der Zuerkennung eines solchen Initiativrechts grundsätzlich nicht entgegenstehen. Zwar ist der Arbeitgeber im Einklang mit den Grundprinzipien der Betriebsverfassung über die Zurverfügungstellung freiwilliger Leistungen nicht verpflichtet, für ein betriebliches Vorschlagswesen Mittel zu gewähren. Dies ist freilich nicht praxisrelevant. Denn das BAG räumt Arbeitnehmern, deren Verbesserungsvorschlag vom Arbeitgeber zu dessen Vorteil verwertet wird, einen individuellen Vergütungsanspruch entsprechend § 612 BGB ein. Verbesserungsvorschläge gehören nämlich nicht zur vertraglich geschuldeten Leistung, sodass sie auch nicht von der regulären Vergütung umfasst sind. Um derartigen – im Einzelfall schwer zu beziffernden – individuellen Vergütungsansprüchen aus dem Wege zu gehen, haben auch Arbeitgeber Interesse, Mittel für eine kollektive Vergütungsordnung zur Verfügung zu stellen. Entscheidet nämlich eine paritätische Kommission verbindlich und abschließend aufgrund einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage in einer Betriebsvereinbarung, ist diese Entscheidung in entsprechender Anwendung der §§ 317, 319 BGB nur auf grobe Unbilligkeit sowie auf Verstöße gegen die zugrunde liegenden Vorschriften überprüfbar. Dies gilt jedenfalls für die abschließende Bewertung und Feststellung von Tatsachen. Man wird dies so verstehen müssen, dass eine derartige verbindliche Entscheidung zugleich die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB mit der Folge darstellt, dass ein darüber hinausgehender Individualanspruch vom Arbeitnehmer nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann. Lediglich dann, wenn die maßgebliche Kommissionsentscheidung nicht einmal stichwortartig begründet und damit für niemanden nachvollziehbar ist, kann es noch zu einer abweichenden Festsetzung durch das Gericht kommen, § 319 BGB. Prämienansprüche können von Ausschlussfristen erfasst sein. Sie verjähren gemäß § 195 BGB nach drei Jahren, wobei sich der Fristbeginn aus der zugrunde liegenden kollektiven Regelung ergibt (bspw. Ablehnung der Prämie).
Rz. 657
Grundsätzlich hat der Betriebsrat mitzubestimmen, nach welchen Grundsätzen und Methoden die Prämien bemessen werden sollen, wie der Nutzen eines Verbesserungsvorschlages zu ermitteln ist, über die Grundsätze für die Höhe und Art der Prämie, über die Verteilung einer Prämie bei Gruppenvorschlägen oder hinsichtlich der Prämiengrundsätze und Bewertungsmaßstäbe sowie darüber, wie eine Prämie für einen Verbesserungsvorschlag bestimmt werden soll, dessen Nutzen nicht zu ermitteln ist. Einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich auf einen Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswesen, darf der Arbeitgeber allein bestimmen, welche Person diese Funktion ausübt. Insoweit ist jedoch ein Beteiligungsrecht aus § 99 BetrVG zu beachten. Überwiegend wird ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage verneint, in welchem Verhältnis die Vergütung zum Nutzen des Vorschlages stehen soll, also etwa in welchem Prozentsatz des Einsparvolumens sich die Vergütung bewegt. Deshalb kann im Zweifel nicht durch Spruch der Einigungsstelle bestimmt werden, dass die Prämie bei Verbesserungsvorschlägen mit erkennbaren Vorteilen einen bestimmten Prozentsatz des Netto-Jahresvorteils beträgt. In der Praxis finden sich aber regelmäßig hierzu Aussagen in den insoweit freiwilligen Teilen der Betriebsvereinbarung. Mitbestimmungsfrei darf der Arbeitgeber ferner entscheiden, ob er einen Verbesserungsvorschlag annimmt und umsetzt. Zwar steht ihm in Anlehnung an die Grundsätze der Mitbestimmung bei freiwilligen Leistungen aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG das Recht zu, den Kreis der in Betracht kommenden Begünstigten festzulegen. In der Praxis wird dies jedoch von Arbeitgeberseite kaum genutzt, weil es betriebspolitisch unklug wäre, bestimmte Arbeitnehmergruppen von der Möglichkeit auszunehmen, am betrieblichen Vorschlagswesen teilzunehmen. Will der Arbeitgeber nicht umgesetzte Verbesserungsvorschläge gleichwohl honorieren, unterliegt dies keiner Mitbestimmung. In der Praxis regeln jedoch Arbeitgeber dies häufig freiwillig nach § 88 BetrVG innerhalb der Betriebsvereinbarung über das betriebliche Vorschlagswesen.