Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 1045
Zu informieren ist auch darüber, ob kollektivrechtliche Regelungen (Tarifverträge, Konzernbetriebsvereinbarungen, Gesamtbetriebsvereinbarungen, Betriebsvereinbarungen, Sprecherausschussrichtlinien gemäß § 28 Abs. 2 SprAuG) fortgelten. Dabei ist zu präzisieren, ob die kollektiven Regelungen normativ oder in transformierter Form gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB weiter gelten. Sofern einzelne Regelungen infolge des Übergangs gegenstandslos werden, weil sie eine Zugehörigkeit zum Erwerber zwingend voraussetzen, so kann eine Fortgeltung dieser Regelungen ausscheiden. Ein bloßer Unternehmensbezug soll die Fortgeltung aber grundsätzlich nicht hindern.
Nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformieren nur die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers (v.a. Inhaltsnormen), nicht hingegen betriebsverfassungsrechtliche Normen. Laut BAG handelt es sich bei der Fortgeltung gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 BGB nicht um eine individualvertragliche Fortgeltung. Vielmehr bleibt der kollektiv-rechtliche Charakter der Normen auch nach dem Betriebsübergang erhalten. Die Wirkung solcher transformierter Normen sei daher mit der Nachbindung des aus einem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausgetretenen Arbeitgebers gemäß § 3 Abs. 3 TVG vergleichbar. Diese Wirkung gemäß § 613a Abs. S. 2 BGB hält lediglich für die Dauer eines Jahres an. Anschließend entspräche die Wirkung einem nachwirkenden Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG. Die einjährige Veränderungssperre findet indes nur solange und soweit Anwendung, wie die kollektivrechtliche Regelung nicht aus anderen Gründen innerhalb der Jahresfrist endet oder ihre zwingende Wirkung (z.B. durch Befristung oder Kündigung) verliert. Auch in diesem Fall entfällt aber nur die zwingende Wirkung und es tritt die Wirkung eines nachwirkenden Tarifvertrags vor Ablauf der Jahresfrist ein, es sei denn, die Nachwirkung ist ausgeschlossen worden.
Hinweis
Wurden kollektivrechtliche Regelungen bereits bei einem vorhergehenden Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert, gilt aufgrund des kollektiven Charakters auch für diese Regelungen § 613a Abs. 1 S. 2, 3 BGB. Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings, ob in diesem Fall die einjährige Veränderungssperre nur nach dem ersten Betriebsübergang greift oder ob die Frist durch den zweiten Übergang erneut ausgelöst wird.
Das Unterrichtungsschreiben muss ferner darauf eingehen, ob und inwieweit die bisher bestehenden Regelungen durch beim neuen Inhaber geltende Bestimmungen nach § 613a Abs. 1 S. 3 und 4 BGB abgelöst werden.
Hinweis
Es ist keine detaillierte Bezeichnung einzelner Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge erforderlich. Vielmehr ist ausreichend, wenn die neuen kollektiven Regelungen dem Unterrichtungsschreiben entweder beigefügt werden oder darauf verwiesen wird, Einsicht könne im Betrieb genommen werden.
Sofern Anspruchsvoraussetzungen aus Tarifverträgen nach dem Betriebsübergang (möglicherweise) nicht mehr erfüllt werden können, genügt es allerdings nach der neueren Rechtsprechung des BAG nicht, auf die Fortgeltung dieser Vereinbarungen hinzuweisen, sondern die Arbeitnehmer müssen (gemäß § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB) auch darüber informiert werden, dass die Ansprüche (möglicherweise) nicht mehr entstehen können. Ob diese Rechtsprechung auch für andere Kollektivvereinbarungen (wie Betriebsvereinbarungen) gilt, ist bislang nicht abschließend geklärt.