Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 827
Dem BR sind die unternehmerische Entscheidung und deren Auswirkungen auf den Betrieb sowie der sich daraus ergebende Wegfall des Arbeitsplatzes mitzuteilen, ferner ist er über eventuell freie Arbeitsplätze und die getroffenen Sozialauswahl einschließlich der konkreten Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers zu informieren.
Der Arbeitgeber darf sich hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten des zu kündigenden Arbeitnehmers mit einem ausdrücklichen oder konkludenten Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten begnügen. Rügt der BR aber innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG eine zunächst fehlerhafte Information des Arbeitgebers hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und benennt einen Arbeitsplatz, auf dem eine Weiterbeschäftigung möglich sei, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem BR ergänzend mitzuteilen, warum eine Weiterbeschäftigung des zu kündigenden Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz aus seiner Sicht dennoch nicht in Betracht kommt. Die Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG wird im Zeitpunkt dieser Mitteilung erneut in Gang gesetzt. Spricht der Arbeitgeber die Kündigung hingegen ohne diese Ergänzung aus, ist sie nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.
Rz. 828
Im Regelfall sind die Namen und die auswahlrelevanten Sozialdaten des oder der zu kündigenden und der vergleichbaren Arbeitnehmer mitzuteilen, und zwar auch ohne Aufforderung des BR, da die richtige Sozialauswahl Voraussetzung für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist. Außerdem könnte der BR andernfalls sein Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG nicht geltend machen. Die mitzuteilenden Sozialdaten sind: das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Anzahl der Unterhaltspflichten und das etwaige Vorhandensein einer Schwerbehinderung, § 1 Abs. 3 KSchG. Dabei darf sich der Arbeitgeber auf die ihm bekannten Sozialdaten, etwa aus der Lohnsteuerkarte, verlassen, auch wenn sie objektiv unzutreffend sein sollten; er hat dies dann aber gegenüber dem BR offenzulegen.
Rz. 829
Der Arbeitgeber hat dem BR die Gründe der Sozialauswahl selbstständig mitzuteilen. Kommt eine Sozialauswahl nach seiner Einschätzung nicht in Betracht, wird die Anhörung nicht dadurch fehlerhaft, dass er den BR davon unterrichtet. Umgekehrt muss der Arbeitgeber den BR nicht über eine abstrakt mögliche, aber nicht durchgeführte soziale Auswahl informieren, da es für den Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung hierauf gerade nicht ankam. Aus diesem Grund besteht auch keine Mitteilungspflicht hinsichtlich der Sozialdaten von Arbeitnehmern, die gar nicht in die Sozialauswahl einbezogen worden sind. Gleichwohl kann der Arbeitgeber diese Sozialdaten im Kündigungsschutzprozess noch nachträglich vortragen, wenn sich der Arbeitnehmer auf diese und damit auf die angeblich fehlerhafte Sozialauswahl beruft, denn dieser weitere Vortrag stellt lediglich eine Konkretisierung des bisherigen Kündigungssachverhalts dar. Ist die Sozialauswahl auch unter Berücksichtigung dieser weiteren Sozialdaten nicht zu beanstanden, war einerseits die Kündigung nicht wegen einer unzutreffenden Sozialauswahl sozialwidrig sowie andererseits die BR-Anhörung nicht fehlerhaft und demzufolge die Kündigung auch aus diesem Grund nicht unwirksam, denn der Arbeitgeber hat dem BR alle Gründe mitgeteilt, die ihn zur Kündigung veranlasst haben (Grundsatz der subjektiven Determinierung der Kündigungsanhörung). Etwaige Überlegungen für eine "vorsorgliche Sozialauswahl" sind für die Ordnungsmäßigkeit der BR-Anhörung nicht erforderlich, aber zulässig.
Rz. 830
Hat der Arbeitgeber einen oder mehrere Beschäftigte nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG aus der Sozialauswahl herausgenommen ("Leistungsträgerklausel"), muss er dies und die dafür maßgeblichen Gründe dem BR mitteilen, insbesondere die berechtigten betrieblichen Interessen an der Herausnahme, wobei dies nicht schlagwortartig, sondern konkret anhand der tatsächlichen Umstände, die den Arbeitnehmer zum Leistungsträger machen, darzulegen ist. Solche berechtigten Interessen können etwa betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige betriebliche Bedürfnisse für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer sein, die dann einer Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen. Nicht erforderlich ist das Bestehen einer "gewissen Zwangslage" für die Weiterbeschäftigung; vielmehr reicht es aus, wenn die Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers im Interesse eines geordneten Betriebsablaufs notwendig ist, wobei jedoch dargelegt werden muss, warum es sich insoweit nicht lediglich um einen unbeachtlichen Routinevorsprung des vermeintlichen Leistungsträgers handelt. Aus dem Umstand, dass das Gesetz ein "berechtigtes" betriebliches Interesse fordert, folgt, dass dieses betriebliche Interesse auch "unberechtigt" sein kann. Dem betrieblichen Interesse und damit der Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl können nur di...