Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 1136
Das am 5.4.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts verschiebt das Instrument der Insolvenzanfechtung im Wirtschaftsverkehr wieder zugunsten der Arbeitnehmer. Zuvor galt noch: Leistete der Arbeitgeber in der Krise, d.h. vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, an den Arbeitnehmer Entgeltzahlungen, konnte der Insolvenzverwalter diese Rechtshandlungen u.a. wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten und zurückfordern, wenn die Zahlung in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung erfolgte, der Arbeitgeber zu dieser Zeit (bereits) zahlungsunfähig war, und der Arbeitnehmer zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Nach Absatz 2 der Vorschrift steht der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis der Umstände gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. In 2011 schränkte das BAG dies ein und entschied, eine solche Entgeltzahlung an den Arbeitnehmer in der Krise sei grundsätzlich als Bargeschäft von der Privilegierung des § 142 InsO a.F. erfasst. Damit konnte der Insolvenzverwalter diese Entgeltzahlungen nur noch bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO a.F. zur Masse ziehen. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer mit Gehaltszahlungen im Rückstand war, und der Arbeitnehmer wusste, dass dies auch in Bezug auf andere Arbeitnehmer der Fall war, rechtfertigte in der Regel nicht die Schlussfolgerung auf die Zahlungsunfähigkeit oder -einstellung des Arbeitgebers. Das Gesetz zur Reform des Insolvenzanfechtungsrechts hat das Ziel, den Wirtschaftsverkehr und die Arbeitnehmer von Rechtsunsicherheiten zu entlasten. Ihr Kernstück ist die Änderung der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO). Bei dieser ist der Anfechtungszeitraum von zehn auf vier Jahre verkürzt und die Kenntnis des anderen vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners wird nur noch dann vermutet, wenn dieser die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte. Daneben ist die Anfechtbarkeit von Arbeitslöhnen eingeschränkt. Nach § 142 Abs. 2 S. 1 InsO liegt ein unmittelbarer Leistungsaustausch vor, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Nach § 142 Abs. 2 S. 2 und S. 3 InsO ist dies bei Gewährung von Arbeitsentgelt an einen Arbeitnehmer dann der Fall, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung von Arbeitsentgelt drei Monate nicht übersteigt, auch wenn das Arbeitsentgelt durch einen Dritten gewährt wird. Damit hat der Gesetzgeber die geltende BAG-Rechtsprechung kodifiziert. Zudem ist ein Bargeschäft nach § 142 Abs. 1 InsO nur noch dann im Rahmen einer Vorsatzanfechtung anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1–3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Ist die Insolvenzanfechtung begründet, hat der Arbeitnehmer wie ein bösgläubiger Empfänger das Erhaltene nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB herauszugeben (§ 143 Abs. 1 InsO). Die anfechtbar aus der Masse ausgeschiedenen Gegenstände sind zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Im Normalfall schuldet der Arbeitnehmer die Herausgabe der vom Arbeitgeber erhaltenen Nettozahlung. Hat er hingegen den Bruttolohn erlangt und selbst die Sozialversicherungsbeiträge und Einkommensteuer abgeführt, muss er sich um die Rückabwicklung bemühen und hat den Bruttolohn zurückzuzahlen. Nach § 143 Abs. 1 S. 3 InsO ist eine Geldschuld nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 BGB vorliegen.