Dr. Gero Dietrich, Dr. Angela Emmert
Rz. 877
Wird der Betrieb stillgelegt, kann der Arbeitgeber auch die Arbeitsverhältnisse der betriebsverfassungsrechtlichen Mandatsträger im Sinne des § 15 Abs. 1 bis 3 KSchG (u.a. Mitglieder des BR, Mitglieder des Wahlvorstands, Wahlbewerber, Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung) kündigen, sofern keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht. Anders als in sonstigen Kündigungsfällen handelt es sich hierbei nicht um eine außerordentliche Kündigung mit Erfordernis der Zustimmung des BR, sondern um eine ordentliche Kündigung nach § 15 Abs. 4 KSchG. Gleiches gilt bei Stilllegung der Betriebsabteilung, in der der Mandatsträger beschäftigt wird, wenn es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einer anderen Betriebsabteilung desselben Betriebs gibt, § 15 Abs. 5 KSchG. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall auch nicht verpflichtet, dem Mandatsträger einen freien höherwertigen Arbeitsplatz anzubieten. Ist aber ein gleichwertiger Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung vorhanden und mit einem nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmer besetzt, muss der Arbeitgeber versuchen, den Arbeitsplatz durch Umverteilung der Arbeit, Ausübung seines Direktionsrechts oder ggf. auch durch den Ausspruch einer Kündigung für den Mandatsträger freizumachen. Die Kündigung ist frühestens zum Zeitpunkt der Betriebsstilllegung zulässig, es sei denn, für eine frühere Kündigung gäbe es zwingende betriebliche Gründe.
Rz. 878
Ein Betrieb i.S.d. § 15 Abs. 4 KSchG ist eine organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Unternehmer allein oder mit seinen Mitarbeitern einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt. Mit dem Begriff der Betriebsabteilung i.S.d. § 15 Abs. 5 KSchG wird ein organisatorisch abgrenzbarer Teil eines Betriebs bezeichnet, der eine personelle Einheit sowie eigene technische Betriebsmittel und die Verfolgung eigener Betriebszwecke erfordert, der auch in einem Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs bestehen kann.
Rz. 879
Der generelle Ausschluss der ordentlichen Kündigung von Mandatsträgern erfährt in § 15 Abs. 4 KSchG eine Ausnahme, die dadurch gerechtfertigt ist, dass es im Falle einer Betriebsstilllegung mangels Belegschaft keiner Interessenvertretung mehr bedarf.
Rz. 880
Nach § 15 Abs. 3a KSchG besteht besonderer Kündigungsschutz auch für (bis zu drei) Initiatoren der Wahl eines BR, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung etc. Wie die Amtsträger können auch sie nicht ordentlich, sondern – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – allenfalls außerordentlich gekündigt werden. Im Gegensatz zu den Amtsträgern nach § 15 Abs. 1 und 2 KSchG ist die außerordentliche Kündigung jedoch auch ohne die Zustimmung des BR zulässig. Soweit in § 15 Abs. 4 KSchG für die Kündigungsmöglichkeit im Falle der Betriebsstilllegung kein Verweis auf Abs. 3a enthalten ist, beruht dies nach allgemeiner Meinung auf einem Redaktionsversehen.
Rz. 881
Steht nach Stilllegung einer Betriebsabteilung nur eine begrenzte Zahl von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einer anderen Abteilung des Betriebes zur Verfügung, genießen nach dem Sinn und Zweck von § 15 KSchG die aktiven Mandatsträger bei der Besetzung der Stellen Vorrang vor den im Nachwirkungszeitraum sonderkündigungsgeschützten Ersatzmitgliedern; auf diese Weise soll die Kontinuität der BR-Arbeit gesichert werden. Eine Interessenabwägung gegenüber Arbeitnehmern ohne Sonderkündigungsschutz findet nicht statt.
Rz. 882
Für die Anhörung des BR gemäß § 102 BetrVG zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung im Falle einer vollständigen Betriebsstilllegung kann auf das entsprechende Muster zurückgegriffen werden (siehe oben Rdn 839).
Rz. 883
Muster 2.70: Anhörung zur Kündigung eines Kündigungsgeschützten nach § 102 BetrVG im Fall der Stilllegung einer Betriebsabteilung
Muster 2.70: Anhörung zur Kündigung eines Kündigungsgeschützten nach § 102 BetrVG im Fall der Stilllegung einer Betriebsabteilung
An den
Betriebsrat
z.H. des Betriebsratsvorsitzenden
Betrifft: Anhörung zur ordentlichen betriebsbedingten Kündigung
Aufgrund der mit Ihnen geführten Interessenausgleichsverhandlungen, die am _________________________ (Datum) mit dem Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplan endeten, ist Ihnen bekannt, dass am _________________________ (Datum) von der Geschäftsführung die unternehmerische Entscheidung getroffen wurde, unsere Abteilung "Technisches Zeichnen" im Produktionsbetrieb Berlin aus Rationalisierungsgründen zum _________________________ (Datum) aufzugeben. Wir werden bei entsprechendem Bedarf künftig ausschließlich mit externen Architektur- und Zeichenbüros zusammenarbeiten, wie dies auch schon in der Vergangenheit zur Auslastung von Arbeitsspitzen und in Vertretungsfällen gehandhabt wurde.
Wir beabsichtigen daher, die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer der Betriebsabteilung ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt, jedo...