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I.d.R. ist das Überfahren einer Rotlicht zeigenden Ampelanlage grob fahrlässig, wenn nicht der Versicherungsnehmer konkrete Umstände darlegt, die im Einzelfall ausnahmsweise eine mildere Beurteilung rechtfertigen (vgl. BGH VersR 1992, 1085; BGH VersR 1992, 1086; OLG Köln VersR 1989, 952; OLG Köln r+s 1989, 174; OLG Hamm r+s 1989, 175 ff.; OLG Köln r+s 1989, 350; OLG Köln r+s 1990, 193 f.; OLG Hamm VersR 1988, 1260 f; NJW 2003, 1118). Zum neuen VVG ist entschieden worden, dass wenigstens von einer Leistungsfreiheit des Versicherers zu 50 % auszugehen ist, wenn der Versicherungsnehmer bei einem bereits mehrere Sekunden währenden Rotlicht in eine Kreuzung einfährt (LG Münster VersR 2009, 1615) oder bereits beim Umspringen des Abbiegepfeils auf Grünlicht bei Rotlicht angefahren wird (LG Essen zfs 2010, 393). Die Annahme grober Fahrlässigkeit setzt dabei nicht voraus, dass der Kraftfahrer das rote Ampellicht bewusst missachtet (OLG Köln r+s 1989, 350); es ist selbstverständlich, dass Kraftfahrer nicht nur gehalten sind, Lichtsignale von Ampelanlagen zu beachten, sondern sich bei dem Herannahen an eine Kreuzung auch zu vergewissern, ob der Verkehr durch Ampeln geregelt wird (OLG Koblenz zfs 1983, 371 m.w.N.). |
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Die bloße Berufung des Fahrers auf ein "Augenblicksversagen" steht der Annahme grober Fahrlässigkeit nicht entgegen. Trägt der Versicherungsnehmer zur Ursache des kurzzeitigen Fehlverhaltes und den sonstigen Umständen nichts vor, kann der Tatrichter den Schluss ziehen, dass ein objektiv grob fahrlässiges Missachten des Rotlichts auch subjektiv als unentschuldbares Fehlverhalten zu werten ist (BGH NJW 2003, 1118; OLG Rostock, Urt. v. 30.4.2003, Info-Letter 2003 Nr. 14 S. 162). |
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Wenn ein ortsunkundiger Autofahrer nach einer bestimmten Straße sucht und dabei ein Rotlicht überfährt, liegt kein Augenblicksversagen, sondern ein den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigendes Maß an Unaufmerksamkeit vor, wenn er mit einem Fahrzeug des Querverkehrs zusammenstößt, dem bereits zwei Fahrzeuge vorausgefahren sind (OLG Frankfurt a.M. VersR 2003, 319). |
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Eventuell unklare Ampelleuchten (OLG Hamm NVersZ 2002, 23) sowie Richten des Blickes auf die übernächste Ampel (OLG Köln NVersZ 2002, 225) entlasten nicht vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit. |
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Überfahren einer rot zeigenden Ampel, die Omnibussen das Einbiegen in einen Parkplatz ermöglicht, auch wenn üblicherweise an dieser Stelle mit freier Fahrt zu rechnen ist (OLG Köln NVersZ 2002, 363). |
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Bei Anhalten und Wiederanfahren bei Rotlicht aus ungeklärten Gründen (OLG Hamm r+s 2001, 317); irriges Anfahren, nachdem Versicherungsnehmer zuvor 60–90 Sekunden an der roten Ampel stand (OLG Karlsruhe zfs 2004, 269). |
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Einfahren in den Kreuzungsbereich bei Rotlicht aufgrund Blendung durch Sonnenlicht (OLG Köln r+s 2003, 451). |
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Beruft sich der Versicherungsnehmer bei einem Rotlichtverstoß auf Unzurechnungsfähigkeit i.S.v. § 827 S. 1 BGB (hier: kurzzeitiger Verlust des Bewusstseins), so trägt er für diesen Zustand die volle Beweislast (BGH zfs 2003, 597). |
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Rotlichtverstoß wegen Unaufmerksamkeit (OLG Köln SP 2003, 318); wegen intensiver Ablenkung durch den Mitfahrer (OLG Jena VersR 2004, 464). |
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Bei Einfahren in den Kreuzungsbereich in der ersten "Rotlichtsekunde" (OLG Nürnberg r+s 2005, 101); es ist dann wenigstens von einer Leistungsfreiheit des Versicherers von 50 % auszugehen (LG Münster r+s 2009, 501). |
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Rotlichtverstoß bei unbekannter Verkehrsführung, weshalb sich der Versicherungsnehmer unsicher fühlt und sich auf die Beschilderung konzentriert (LG Freiburg SP 2003, 387). |
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Versicherungsnehmer übersieht auf seiner "Hausstrecke" Rotlicht und beruft sich auf Arbeitsüberlastung während des Tages (AG Essen SP 2003, 388). |
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Rotlichtverstoß beruht auf mangelnder Praxis im Großstadtverkehr und fehlender Ortskundigkeit (OLG Rostock VersR 2003, 1528). |
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Rotlichtverstoß wegen Verwechslung mit der auf Grünlicht umgesprungen Ampel für Linksabbieger, wenn Versicherungsnehmer zunächst stand (OLG Köln r+s 2004, 101); ebenso wenn Versicherungsnehmer die für ihn maßgebliche Ampel mit der daneben liegenden Ampel verwechselt (LG Düsseldorf SP 2004, 166); in diesen Fällen ist der Versicherer berechtigt, den Leistungsanspruch um 50 % zu kürzen (AG Essen r+s 2010, 320). |