Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 259
Der Versicherungsnehmer muss lediglich einen Sachverhalt darlegen und beweisen, aus dem sich das äußere Bild einer versicherten Fahrzeugentwendung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschließen lässt. Das äußere Bild ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer oder ein anderer Berechtigter das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und es später dort gegen seinen Willen nicht wieder vorgefunden hat. Dieser so genannte "Minimalsachverhalt" ist allerdings ohne jede Einschränkung der Beweisanforderungen voll zu beweisen. Der Nachweis eines bloßen Rahmensachverhalts reicht für den Beweis des Mindestmaßes an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung des Kfz zulassen, nicht aus. Bereits bei widersprüchlichen Angaben von Versicherungsnehmer und Zeugen zum Randgeschehen ist das äußere Bild nicht nachgewiesen.
Rz. 260
Hat der Versicherungsnehmer für das Abstellen des Fahrzeugs und das spätere Nichtwiederauffinden nur verschiedene Zeugen, dann ist der Beweis des äußeren Bildes nur dann geführt, wenn die Aussagen der Zeugen zuverlässig ergeben, dass sich ihre Beobachtungen auf ein und dieselbe Örtlichkeit beziehen.
Rz. 261
Der volle Beweis für das Minimum ist nicht schon durch die Diebstahlanzeige bei der Polizei geführt.
Rz. 262
Stehen keine Zeugen zur Verfügung, kann der Versicherungsnehmer den Nachweis des äußeren Bildes einer Fahrzeugentwendung auch im Rahmen einer Parteianhörung mit seinen eigenen Angaben erbringen. Der Nachweis des äußeren Bildes durch die eigenen Angaben setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer uneingeschränkt glaubwürdig ist. Daran fehlt es, wenn Tatsachen feststehen, die ernsthafte Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers und an der Richtigkeit seiner Sachverhaltsschilderung aufkommen lassen; bloße Verdachtsmomente reichen allerdings nicht aus, auch nicht ein gegen den Versicherungsnehmer geführtes Strafverfahren, wenn es nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hat. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung vom Nachweis eines Versicherungsfalls durch eigene Angaben des Versicherungsnehmers kann nicht gewonnen werden, wenn eine glaubhafte Schilderung des Geschehens und eine persönliche Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers wegen Erinnerungslücken, fehlender Detailangaben oder unaufklärbarer Widersprüche und Ungereimtheiten nicht festgestellt werden kann. Die mangelnde Glaubwürdigkeit kann sich aus strafrechtlichen Verurteilungen ergeben, die im Bundeszentralregister noch nicht getilgt sind. Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK hindert nicht, bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung bewiesene Unrichtigkeiten im Zusammenhang mit einem früheren Schadenfall zu berücksichtigen. Unglaubwürdig ist, wer in der Vergangenheit Falschangaben bei Versicherungsangelegenheiten gemacht hat. Von der Unglaubwürdigkeit einer Zeugin darf nicht auf die Unglaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers selbst geschlossen werden. Hat der Versicherungsnehmer die zum äußeren Bild der Entwendung gehörenden Tatsachen durch Zeugen bewiesen, kommt es in diesem Stadium der Anspruchsprüfung auf seine Glaubwürdigkeit nicht an.
Rz. 263
Die Vernehmung vorhandener Zeugen zum äußeren Bild bleibt vorrangig. Auch ein unglaubwürdiger Versicherungsnehmer kann damit durch Zeugen das äußere Bild nachweisen. Benennt der Versicherungsnehmer vorhandene Zeugen nicht, so ist er beweisfällig. Stehen Zeugen zur Verfügung, müssen diese im Zweifel vom Berufungsgericht erneut angehört werden.
Rz. 264
Bei der Entwendung von Fahrzeugteilen entfällt das äußere Bild nicht, wenn keine Einbruchsspuren festgestellt werden; solche Spuren gehören nicht zum äußeren Bild.