Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 90
Die dem Versicherungsnehmer auferlegten Obliegenheiten haben nach Abschnitt F.1 AKB auch die mitversicherten Personen zu erfüllen, die in A.1.2 AKB abschließend aufgezählt sind. Im Bereich der Schwarzfahrtklausel (vgl. Rdn 82 ff.), der Führerscheinklausel (vgl. Rdn 84 ff.) und der Fahruntüchtigkeitsklausel (vgl. Rdn 87 ff.) ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer nur dann leistungsfrei, wenn dieser die Obliegenheitsverletzung selbst begangen oder schuldhaft ermöglicht hat.
Hinweis
Der Versicherer hat zu beweisen, dass der Versicherungsnehmer, Halter oder Eigentümer die Obliegenheitsverletzung des Fahrers schuldhaft ermöglicht hat; dagegen braucht der Versicherer nicht die Ursächlichkeit der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit für den Unfall nachzuweisen.
Rz. 91
Die mitversicherten Personen sind gem. F.3 AKB, § 123 Abs. 1 VVG geschützt.
Rz. 92
Die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit bzw. der Leistungskürzung des Versicherers richten sich nach § 28 Abs. 2 und 3 VVG.
aa) Verschulden
Rz. 93
Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung wegen Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall setzten Verschulden des Versicherungsnehmers voraus, wobei leichte Fahrlässigkeit seit der VVG-Reform nicht mehr schadet und folgenlos bleibt.
Grobe Fahrlässigkeit bei der Verletzung der Obliegenheit kann den Versicherer nach § 28 Abs. 2 S. 2 VVG zu einer Leistungskürzung berechtigen. Dabei wird die grobe Fahrlässigkeit nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 VVG vermutet; der Versicherungsnehmer hat sich also bei grober Fahrlässigkeit zu entlasten. Es wird damit von grober Fahrlässigkeit ausgegangen, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt.
Voraussetzung für eine vollständige Leistungsfreiheit ist nach § 28 Abs. 2 S. 1 VVG, dass die Obliegenheit mit Vorsatz verletzt worden ist. Vorsatz wird allerdings nicht mehr wie bisher in § 6 VVG a.F. vermutet. Vielmehr trifft nun insoweit den Versicherer die Beweislast.
bb) Kündigung
Rz. 94
Die Kündigung ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versicherungsschutzversagung bei Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalls. Bei mindestens grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung kann der Versicherer jedoch nach § 28 Abs. 1 VVG den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats nach Kenntnis fristlos kündigen.
cc) Kausalität
Rz. 95
Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung setzen nach § 28 Abs. 3 VVG sowohl bei Vorsatz als auch bei grober Fahrlässigkeit voraus, dass die Obliegenheitsverletzung kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls oder für die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall oder den Umfang der vom Versicherer zu erbringenden Leistungen ist. Dabei reicht es nicht aus, dass die Obliegenheitsverletzung abstrakt-generell geeignet war, die Interessen des Versicherers zu gefährden. Entscheidend ist stets, ob die Obliegenheitsverletzung im konkreten Fall auch tatsächlich kausal geworden ist.
Ist der objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung gegeben, wird Kausalität vermutet. Dem Versicherungsnehmer steht jedoch der Kausalitätsgegenbeweis offen. Der Kausalitätsgegenbeweis ist beispielsweise geführt, wenn der Unfall für den Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG war oder ausschließlich auf einem nicht vorhersehbaren Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder einem Versagen seiner Einrichtungen beruht. Der Kausalitätsgegenbeweis ist trotz Falschangaben zur Laufleistung auch geführt, wenn dem Versicherer zum Zeitpunkt der Ablehnung die tatsächliche Laufleistung schon bekannt war. Bei Trunkenheit kann der Kausalitätsgegenbeweis nicht durch Zeugen für eine angeblich bestehende Fahrtauglichkeit erbracht werden.
Wegen des nach § 28 Abs. 3 VVG auch bei Vorsatz stets bestehenden Kausalitätserfordernisses ist die unter dem alten VVG von der Rechtsprechung zur Abmilderung von Härten entwickelte Relevanztheorie bei vorsätzlich, aber folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzungen entbehrlich geworden. Denn wenn eine Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben ist, kann sie auch nicht kausal i.S.v. § 28 Abs. 3 VVG geworden sein.
Bei Arglist ist Kausalität für Leistungsfreiheit des Versicherers nicht erforderlich und damit auch kein Gegenbeweis möglich. Arglist führt deshalb auch bei fehlender Kausalität zur Leistungsfreiheit.
dd) Ausmaß der Leistungskürzung
Rz. 96
Die VVG-Reform hat für die Kaskoversicherung zu einer Abschaffung des "Alles-oder-nichts-Prinzips" geführt. Stattdessen sieht § 28 Abs. 2 S. 2 VVG vor, dass der Versicherer im Falle einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Inwieweit eine Kürzung mö...