Rz. 8

Durch die VVG-Reform ist der Vertragsschluss seit dem 1.1.2008 erheblich verändert worden. Ein Vertragsschluss über das seit 1994 in der Praxis überwiegend angewandte Policenmodell gibt es nach dem VVG nicht mehr. Nach dem abgeschafften Policenmodell war es möglich, dem Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen erst mit der Police auszuhändigen. Dem Versicherungsnehmer stand sodann nach § 5 a VVG a.F. ein Widerspruchsrecht zu.

1. Antragsmodell

a) Informationspflicht vor Vertragsschluss

 

Rz. 9

Nun sieht § 7 Abs. 1 VVG vor, dass der Versicherer dem künftigen Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der Allge­meinen Versicherungsbedingungen sowie die in einer Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 2 VVG bestimmten Verbraucherinformationen in Textform mitzuteilen hat. Sämtliche Informationen müssen dem künftigen Versicherungsnehmer damit schon bei Vertragsschluss vorliegen. Insoweit handelt es sich um ein qualifiziertes Antragsmodell. Sofern der Versicherungsnehmer im Rahmen der auf alle versicherungsrechtlichen Vertragsabschlüsse anwendbaren "Verzichtslösung" nach § 7 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 VVG durch eine gesonderte schriftliche Erklärung auf eine vorvertragliche Information über die AKB verzichtet und sodann unverzügliche Übersendung erfolgt, werden die AKB auch ohne vorherige Übersendung Vertragsbestandteil, da die Norm als speziellere Regelung der Vorschrift des § 305 Abs. 3 BGB vorgeht.[4]

[4] LG Saarbrücken r+s 2013, 275 mit ausführlicher Darstellung der Rechtslage sowie der Gegenansicht.

b) Beratungspflicht vor Vertragsschluss

 

Rz. 10

Über die Regelung des § 7 VVG hinaus hat der Versicherer nach § 6 VVG schon vor Vertragsschluss weitgehende Beratungspflichten gegenüber dem künftigen Versicherungsnehmer zu erfüllen. Dabei grenzt sich die Beratungspflicht nach § 6 VVG dadurch von der Informationspflicht nach § 7 VVG ab, dass die Beratung anders als die allgemein gehaltene Produktinformation konkret auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Versicherungsnehmers abgestimmt sein muss. Der Versicherer hat nach § 6 VVG besondere Pflichten zur Befragung, Beratung, Begründung und Dokumentation, die bei Vertragsschluss nach § 61 VVG auch für den Versicherungsvermittler gelten. Allerdings kann nach § 6 Abs. 3 VVG durch gesonderte schriftliche Erklärung auf die Beratung verzichtet werden. Während der Vertragslaufzeit besteht diese Verpflichtung nach § 6 Abs. 4 VVG nur für den Versicherer. Dabei sehen § 6 Abs. 5 VVG sowie § 63 VVG bei schuldhafter Verletzung ­jeweils Schadenersatzverpflichtungen des Versicherers bzw. des Vermittlers vor.

2. Billigungsklausel

 

Rz. 11

Die Billigungsklausel des § 5 VVG ist durch die VVG-Reform weitestgehend unverändert geblieben. Eine Abweichung im Versicherungsschein vom Antrag gilt auch weiterhin gem. § 5 Abs. 1 VVG dann als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von einem ­Monat nach Übersendung des Versicherungsscheins widerspricht. Nach § 5 Abs. 2 VVG muss der Versicherer den Versicherungsnehmer auf diese Rechtsfolge sowie auf jede Abweichung im Versicherungsschein vom Antrag hinweisen. Die bloße Aushändigung von geänderten AKB mit der Aushändigung des geänderten Versicherungsscheins reicht für eine Einbeziehung nicht aus. Geänderte Bedingungen werden nur unter den Voraussetzungen des § 5 VVG Vertragsbestandteil.

3. Widerrufsrecht

 

Rz. 12

Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung nach § 8 Abs. 1 S. 1 VVG innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf muss in Textform gegenüber dem Versicherer erklärt werden, wobei zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung ausreicht. Zudem beginnt die Widerrufsfrist nach § 8 Abs. 2 VVG erst mit Zugang des Versicherungsscheins sowie aller nach § 7 VVG zu überlassender Informationen. Damit die Frist überhaupt zu laufen beginnt, müssen dem Versicherungsnehmer zunächst die nachfolgend aufgelisteten Unterlagen übersandt werden:

Versicherungsschein,
Vertragsbestimmungen (AKB und Sonderbedingungen),
Versicherungsinformationen und Produktinformationsblatt nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG,
Belehrung über das Widerrufsrecht.

Fehler des Versicherers bei der Übersendung der Unterlagen können dazu führen, dass ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers besteht. Zumindest nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 VVG kann der Versicherungsnehmer bei nicht vollständiger Übersendung sämtlicher Unterlagen durch den Versicherer den Versicherungsvertrag noch viele Jahre nach Vertragsschluss widerrufen (ewiges Widerrufsrecht).

 

Rz. 13

Kein Widerrufsrecht besteht, wenn der Versicherer auf besonderen Antrag des Versicherungsnehmers vorläufige Deckung zugesagt hat. Das Widerrufsrecht ist dann nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 VVG ausgeschlossen.

 

Rz. 14

Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind in § 9 VVG geregelt. Bei Widerruf nach ordnungsgemäßer Belehrung und Aushändigung aller Unterlagen hat der Versicherer nach § 9 S. 1 VVG einen Anspruch auf Zahlung der Prämie bis zum Zeitpunkt des Zugangs des Widerrufs. Bei fehlender Belehrung über das Widerspruchsrecht muss der Versicherer nach ...

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