Rz. 219
Mehrere Arbeitseinkommen oder mehrere Sozialgeldleistungsansprüche oder Arbeitseinkommen und Sozialgeldleistungen sind auf Antrag des Gläubigers bei der Pfändung zusammenzurechnen (§ 850e Nr. 2 und Nr. 2a ZPO). Selbstverständlich kann der Gläubiger verschiedene Arbeitseinkommen bzw. Sozialgeldleistungsansprüche auch jeweils gesondert pfänden. In diesem Fall muss jedoch jeder Drittschuldner für jedes gepfändete Einkommen die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO beachten. In jedem Fall wird sich ein wesentlich niedrigerer oder kein Pfändungsbetrag ergeben als bei der Zusammenrechnung aller Einkommen. Nach der Zusammenrechnung wird der Schuldner so behandelt, als würde er das gesamte Einkommen nur von einem Drittschuldner erhalten mit der Folge, dass die Pfändungsfreibeträge auch nur einmal berücksichtigt werden.
Rz. 220
Der unpfändbare Grundbetrag ist nach der Zusammenrechnung in erster Linie dem Einkommen zu entnehmen, welches die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet (§ 850e Nr. 2 S. 2 ZPO).
Rz. 221
Das Einkommen des Ehe- bzw. Lebenspartners des Schuldners kann jedoch nicht mit dessen gepfändeten Einkommen zusammengerechnet werden. Der Gläubiger muss in diesem Fall nach § 850c Abs. 6 ZPO vorgehen und beantragen, dass der arbeitende Ehe- bzw. Lebenspartner als Unterhaltsberechtigter nicht zu berücksichtigen ist, da er sich selbst voll unterhalten kann (vgl. hierzu Rdn 114 ff.). Nach einer Entscheidung des BGH ist bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens das Arbeitslosengeld II mit Arbeitseinkommen nicht zusammenzurechnen, wenn der Schuldner nur deshalb Arbeitslosengeld II erhält, weil sein Arbeitseinkommen bei anderen Personen berücksichtigt wird, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Der Schuldner lebt mit seiner Lebensgefährtin und deren Kindern sowie einem gemeinsamen Kind zusammen und bildet mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3 Buchst. c und Nr. 4 SGB II. Bei der Berechnung der Hilfebedürftigkeit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wird das Einkommen des Schuldners gem. § 9 Abs. 2 SGB II anteilig berücksichtigt. Infolge dieser rechnerischen Aufteilung des Arbeitseinkommens des Schuldners gilt auch dieser selbst als hilfebedürftig, obwohl er Arbeitseinkommen bezieht, das seinen sozialrechtlichen Bedarf übersteigt. Die Gewährung von Arbeitslosengeld II an den Schuldner beruht somit darauf, dass sein Einkommen sozialrechtlich anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zugeordnet wird. Die Sozialleistung stellt sich unter diesen Umständen nicht als eigenes Einkommen dar, welches dem Schuldner zusätzlich zu seinem Arbeitseinkommen zur Verfügung steht. Wertend betrachtet ersetzt es vielmehr einen Teil des Arbeitseinkommens, der innerhalb der Bedarfsgemeinschaft sozialrechtlich anders zugeordnet wird. Eine Zusammenrechnung der Sozialleistung und des Arbeitseinkommens zum Zweck einer einheitlichen Bestimmung des pfändbaren Betrags ist bei dieser Sachlage nicht gerechtfertigt.
Rz. 222
Auf Antrag des Gläubigers ist die Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen mit dem Anspruch auf Kurzarbeitergeld auszusprechen. Denn bei dem Kurzarbeitergeld handelt es sich um eine laufende Geldleistung nach dem SGB III im Sinne dieser Vorschrift, die von der Bundesagentur für Arbeit geleistet wird und die nach § 54 Abs. 4 SGB I der Pfändung unterworfen ist.
Rz. 223
Eine Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen aus unselbstständiger Tätigkeit mit solcher aus selbstständiger Tätigkeit, z.B. Einkünfte aus einem Kiosk-Betrieb, gem. § 850i ZPO ist ebenfalls nicht zulässig. Auch kann Arbeitseinkommen nicht mit ausländischen Sozialleistungen zusammengerechnet werden.
Rz. 224
Zusammengerechnet werden können nur laufende Einkünfte des Schuldners. Den Pfändungsschutz für nicht wiederkehrend zahlbare Einkommen hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners gesondert festzustellen (§ 850i Abs. 1 ZPO).
Rz. 225
Eine Zusammenrechnung mit "Einmalzahlungen" ist nicht zulässig. Dies trifft auch zu für alle einmalig auszuzahlenden Beträge während der Pandemie oder zur Unterstützungszwecken aus Anlass der sog. Energiekrise, z.B. für die vom Arbeitgeber an die Beschäftigten zu zahlenden steuerfreien Corona-Sonderzahlungen (bis März 2022 bis zu 1.500 EUR), die Energiepreispauschale oder die sog. Inflationsausgleichsprämie (Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz v. 19.10.2022, BGBl I 2022, 1743). Auch § 850i ZPO findet keine Anwendung.
Rz. 226
Eine Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen mit bedingt pfändbaren Bezügen nach § 850b Abs. 1 ZPO oder nur von bedingt pfändbaren Bezügen kann nur dann erfolgen, wenn die besonderen Billigkeitsvoraussetzungen nach § 850b Abs. 2 ZPO gegeben sind.
Rz. 227
Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens sind auf Antrag auch ausländische gesetzliche Renten mit inländischen gesetzlichen Renten zusammenzurechnen. Grundsätzlich fallen ausländische Rentenansprü...