Rz. 326
In der Praxis der vergangenen Jahre zeigte sich häufiger das Problem, dass der Schuldner eine für ihn zunächst ungünstige Steuerklasse wählt, um so das Nettoeinkommen niedriger ausfallen zu lassen. Der Erstattungsanspruch regelt sich dann über die Lohn- bzw. Einkommensteuererstattung zu Beginn des folgenden Jahres beim Finanzamt. Für den pfändenden Gläubiger ist diese Situation insoweit misslich, als sich zunächst bei der Lohnpfändung kein oder ein geringerer pfändbarer Betrag ergibt und ungewiss bleibt, ob sein Rang bei der Pfändung des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Finanzamt derselbe ist wie bei der Lohnpfändung, da er dann mit weiteren Pfändungsgläubigern erneut in Konkurrenz tritt. Weiterhin ungewiss ist, ob der Schuldner überhaupt einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt stellt, denn nur dann entfaltet die ausgebrachte Pfändung Wirkung.
Rz. 327
Wenn die Schuldnerin und ihr Ehegatte nach der Vermögensauskunft nahezu das gleiche Einkommen erzielen und deshalb die Wahl der Steuerklassen IV/IV angemessen wäre, darf die Wahl der ungünstigeren Steuerklasse V durch die Schuldnerin nicht zulasten des Gläubigers gehen. Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens ist deshalb von der Steuerklasse IV auszugehen.
Rz. 328
Wählt der verheiratete Vollstreckungsschuldner nach der Pfändung seines Anspruchs auf Arbeitslohn ohne sachlichen Grund statt der Steuerklasse IV die Steuerklasse V, um so Einkommensbeträge der Pfändung zu entziehen, kann das Vollstreckungsgericht in entsprechender Anwendung von § 850h ZPO anordnen, dass sich der Schuldner bei der Berechnung des pfändbaren Teils seines Lohns so behandeln lassen muss, als werde er nach der Steuerklasse IV besteuert. Dagegen muss der Gläubiger eine vor der Pfändung getroffene Wahl der Steuerklasse durch den Schuldner und dessen Ehegatten (für das laufende Jahr) gegen sich gelten lassen. Mit seiner Entscheidung v. 4.10.2005 stellt der BGH fest, dass die Wahl des Schuldners in eine für ihn ungünstigere Lohnsteuerklasse vor der Pfändung regelmäßig in Gläubigerbenachteiligungsabsicht getroffen wird mit der Folge, dass der Schuldner bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags schon im Jahr der Pfändung so zu behandeln ist, als sei sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Lohnsteuerklasse zu versteuern. Wählt der Schuldner hingegen erst nach der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, gilt dies auch ohne Gläubigerbenachteiligungsabsicht schon dann, wenn für diese Wahl objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist. Fehlt es an einem Nachweis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht, hat der Gläubiger bzgl. des laufenden Kalenderjahres die vor der Pfändung getroffene Wahl der Steuerklasse des Schuldners allerdings hinzunehmen.
Rz. 329
Eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts, ein Schuldner müsse sich bei der Berechnung des pfändbaren Teils seines Einkommens so behandeln lassen, als werde er nach der Steuerklasse IV besteuert, kann nur ergehen, wenn der Gläubiger unter Angabe konkreter Tatsachen glaubhaft macht, dass der Schuldner nach der Pfändung ohne sachlichen Grund mit Manipulationsabsicht zum Nachteil des Gläubigers die für den Gläubiger ungünstigere Steuerklasse gewählt hat.
Rz. 330
Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Schuldner ihm zustehende Steuerfreibeträge nicht unmittelbar berücksichtigen lässt. Überzahlte Steuern muss der Gläubiger durch Pfändung eventueller Rückerstattungsansprüche erwirken.