Rz. 500

Im Anschluss an seine Rechtsprechung zur Abtretung ärztlicher Honorarforderungen[1921] und zur Weitergabe einer ärztlichen Patienten- und Berufskartei[1922] hat der BGH[1923] entschieden, dass die Abtretung der Honorarforderung eines Rechtsanwalts (§§ 398, 675 BGB) ohne Zustimmung des Mandanten i.d.R. den objektiven Tatbestand der – das Privatgeheimnis schützenden – Strafvorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt, weil mit der Abtretung die umfassende Informationspflicht des § 402 BGB ggü. dem neuen Gläubiger verbunden ist. Deshalb waren sowohl das schuldrechtliche Grundgeschäft der Forderungsübertragung als auch die Abtretung als dingliches Erfüllungsgeschäft gem. § 134 BGB nichtig. Dadurch wurde dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen.[1924] Dies galt selbst dann, wenn es später tatsächlich nicht erforderlich war, der anwaltlichen Schweigepflicht unterliegende Tatsachen zu offenbaren.[1925] Dagegen ergaben sich keine Bedenken aus Art. 14 GG.[1926]

 

Rz. 501

Die Abtretung der anwaltlichen Honorarforderung war auch dann nichtig, wenn sie an Steuerberater derselben Sozietät[1927] oder an einen anderen Rechtsanwalt erfolgt war, und zwar auch dann, wenn der Vergütungsanspruch bereits rechtskräftig festgestellt wurde.[1928]

 

Rz. 502

Der Rechtsanwalt darf seine Honorarforderung, deren Berechtigung vom Mandanten bestritten wird, "als letztes Mittel" – auch durch einen anderen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten[1929] – gerichtlich geltend machen, selbst wenn dabei ein Geheimnis des Auftraggebers offenbart werden könnte (vgl. Rdn 431).[1930] Das Geheimhaltungsinteresse des Mandanten muss dann nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinter die Vermögensbelange des Rechtsanwalts zurücktreten, weil dieser sonst rechtlos stünde. Dies hat auch dann zu gelten, wenn ein Sozietätsanwalt eine den Sozietätsanwälten zur gesamten Hand zustehende Vergütungsforderung geltend macht.[1931]

 

Rz. 503

Eine Bestimmung in einem Vertrag zur Übernahme einer Anwaltskanzlei, die den Veräußerer auch ohne Einwilligung der betroffenen Mandanten verpflichtet, seine Akten dem Erwerber zu überlassen, ist nichtig.[1932]

Wirksam ist allerdings die ohne Zustimmung des Mandanten vorgenommene Abtretung einer anwaltlichen Vergütungsforderung (vgl. auch Rdn 506)

an den Erwerber einer Anwaltskanzlei, der zuvor als Mitarbeiter des Zedenten die Angelegenheiten des Mandanten umfassend kennen gelernt hatte;[1933]
an den bereits vor der Abtretung bestellten Abwickler der Kanzlei des Zedenten;[1934]
an den Erwerber einer Anwaltskanzlei, der in die bisher bestehende (Außen-)Sozietät eintritt, während der Veräußerer als freier Mitarbeiter für eine Übergangszeit tätig sein soll.[1935]
[1921] BGHZ 115, 123 = NJW 1991, 2955; BGH, NJW 1996, 775.
[1922] BGHZ 116, 268 = NJW 1992, 737.
[1923] BGHZ 122, 115, 117 ff. = NJW 1993, 1638; BGH, NJW 1993, 1912 = WM 1993, 1251; BGH, NJW 1993, 2795, 2796; BGH, NJW 1997, 188.
[1924] BGHZ 122, 115, 119 = NJW 1993, 1638; BGH, 11.11.2004 – IX ZR 240/03, WM 2004, 2505, 2506; BGH, 9.6.2005 – IX ZR 14/04, JurionRS 2005, 16266; BGH, 1.3.2007 – IX ZR 189/05, BGHZ 171, 252, Tz. 6 = NJW 2007, 1196.
[1927] BGHZ 122, 115, 119 = NJW 1993, 1638.
[1928] BGH, NJW 1993, 1912 = WM 1993, 1251.
[1930] BGHZ 122, 115, 120 m.w.N. = NJW 1993, 1638; BGH, NJW 1996, 775, 776; anders für einen Arrest zur Sicherung einer anwaltlichen Honorarforderung: Everts, NJW 2002, 3136.
[1931] Vgl. BGH, NJW 1996, 2859, 2860 = WM 1996, 1632.
[1932] BGH, NJW 1995, 2026 f.
[1933] BGH, NJW 1995, 2915 f. = WM 1995, 1841.
[1934] BGH, NJW 1997, 118 = WM 1996, 2244.
[1935] BGHZ 148, 97, 101 ff. = WM 2001, 1621.

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