Rz. 511
Im Hinblick auf den vorstehend aufgezeigten Auslegungsstreit hat der Gesetzgeber in Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 die Regelung des § 49b Abs. 4 BRAO novelliert. Zudem hat er die Mangelhaftigkeit des bisherigen § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO erkannt. § 49b Abs. 4 BRAO wurde daher wie folgt neu gefasst:
§ 49b Abs. 4 BRAO
Die Abtretung von Vergütungsforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Rechtsanwälte oder rechtsanwaltliche Berufsausübungsgemeinschaften (§ 59a) ist zulässig. Im Übrigen sind Abtretung oder Übertragung nur zulässig, wenn eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt ist. Vor der Einwilligung ist der Mandant über die Informationspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten aufzuklären. Der neue Gläubiger oder Einziehungsermächtigte ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt.
Rz. 512
Die Bundesregierung hat zur Begründung ihres vom Gesetzgeber beschlossenen Entwurfes ausgeführt: Der Schutzzweck der Regelung, die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht abzusichern, erfordere nur die ausdrückliche und schriftliche Einwilligung des Mandanten, um dem Rechtsanwalt die Forderungsabtretung oder die Übertragung ihrer Einziehung zu gestatten. Weil der Mandant den Rechtsanwalt von der Pflicht zur Verschwiegenheit entbinden könne, sei es konsequent, dem Mandanten die Entscheidung zu überlassen, ob der Anwalt Vergütungsforderungen auch an Nichtanwälte abtreten dürfe. Die neue Regelung ermögliche es insb., dass Rechtsanwälte das Inkasso ihrer Honorare auf Verrechnungsstellen übertragen. Die Abtretung könne im Rahmen eines Factoring auch als Finanzierungsinstrument genutzt werden.
Rz. 513
Mit "ausdrücklicher, schriftlicher Einwilligung" des Mandanten (§ 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO) ist die Abtretung oder Übertragung auch an Nicht-Rechtsanwälte zulässig. Die Einwilligung bedarf der Schriftform (§ 126 BGB); elektronische Form (§ 126a BGB) oder Textform (§ 126b BGB) genügen nicht. Die Erklärung kann auch im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgegeben werden, wenn der Mandant in einer dem Schutzzweck des Geheimhaltungsrechts ausreichenden Weise über die Folgen der Abtretung belehrt worden ist.
Rz. 514
Nach § 49b Abs. 4 Satz 3 BRAO ist der Mandant vor Abgabe der Einwilligungserklärung über die Informationspflicht des Rechtsanwalts ggü. dem Zessionar oder Einziehungsermächtigten aufzuklären. Im Fall der Abtretung ist hiermit die Pflicht nach § 402 BGB gemeint, nach welcher der bisherige Gläubiger dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft erteilen und ihm die zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden ausliefern muss, soweit sie sich in seinem Besitz befinden. Im Fall der Einziehungsermächtigung sind vertragliche Informationspflichten angesprochen, die der Anwalt erfüllen muss, damit der Einziehungsermächtigte seinen übernommenen Pflichten nachkommen kann.
Die Pflicht zur Aufklärung trifft den Rechtsanwalt, weil die Bestimmungen der BRAO nur für ihn gelten. Diese Aufklärungspflicht ist nicht nur ein berufsrechtliches Zulässigkeitserfordernis, sondern im Hinblick auf den mit dieser Bestimmung verbundenen Schutzzweck des Geheimhaltungsrechts (Recht auf informelle Selbstbestimmung) auch eine vertragliche Verpflichtung des Anwalts. Die unterbliebene, unvollständige oder falsche Aufklärung stellt mithin eine vertragliche Nebenverletzung des Anwalts dar und kann Schadensersatzansprüche auslösen. Ob eine dem § 49b Abs. 4 Satz 3 BRAO nicht genügende Aufklärung durch den Rechtsanwalt die Wirksamkeit seines Verfügungsgeschäfts über den betroffenen Vergütungsanspruch berührt oder ihm nur die wegen seiner Verschwiegenheitspflicht von einer wirksamen Zustimmung abhängige Berechtigung nimmt, der Unterrichtungspflicht des Zedenten ggü. dem Zessionar gem. § 402 BGB nachzukommen, hat der BGH bislang offengelassen. Grds. dürfte es auf den Mandatsgegenstand ankommen, auf den der anwaltliche Vergütungsanspruch beruht. Betrifft er einen Bereich, der typischerweise das Geheimhaltungsinteresse des Mandanten tiefgreifend berührt, kann unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt eines wirkungsvollen informationellen Selbstschutzes des Mandanten ausnahmsweise auch die Unwirksamkeit der pflichtwidrig vorgenommenen Abtretung in Betracht kommen.
Rz. 515
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Anwalt der Aufklärungspflicht des § 49b Abs. 4 Satz 3 BRAO nicht nachgekommen ist, trägt der Mandant. Die Aufklärungspflicht stellt zivilrechtlich eine Beratungspflicht dar, sodass die allgemeinen Grundsätze bei Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten zum Tragen kommen. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass der Rechtsanwalt die behauptete unterl...