Rz. 482
Nach § 49b Abs. 1 BRAO, eingeführt durch Gesetz vom 2.9.1994, ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren und zu fordern, als das RVG (früher die BRAGO) vorsieht, soweit nichts anderes bestimmt ist (Satz 1). Im Einzelfall darf der Rechtsanwalt besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insb. dessen Bedürftigkeit, Rechnung tragen durch Ermäßigung oder Erlass von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags (Satz 2).
Dieses grundsätzliche Verbot einer gebührenunterschreitenden Vereinbarung wurde vor Inkrafttreten der neuen Vorschrift am 9.9.1994 aus den anwaltlichen Standesrichtlinien hergeleitet; verbotswidrige Abreden wurden regelmäßig gem. § 138 Abs. 1 BGB als nichtig bewertet.
Die Neuregelung soll nach ihrer Begründung einen "Preiswettbewerb um Mandate" verhindern und "einen weitgehend gleichen Zugang zum Recht und zu den Rechtsanwälten gewährleisten".
Rz. 483
Nach § 21 Abs. 1 BORA gilt das Verbot der Gebührenunterschreitung auch im Verhältnis des Rechtsanwalts zu Dritten, die anstelle des Mandanten oder neben diesem es übernehmen, die Gebühren zu bezahlen, oder die sich ggü. dem Mandanten verpflichten, diesen von anfallenden Gebühren freizustellen.
Rz. 484
Der mit der Terminsvertretung beauftragte Rechtsanwalt erhält die Gebühren des § 53 BRAGO entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift nur, wenn ihm die Partei oder mit deren Einverständnis der Prozessbevollmächtigte die Vertretung oder die Ausführung der Parteirechte übertragen hat. Erteilt dagegen der Prozessbevollmächtigte einem Terminsvertreter im eigenen Namen den Auftrag zur Terminswahrnehmung, so wird kein Vertragsverhältnis zwischen der Partei und dem Terminsvertreter begründet. Die Pflicht zur Entschädigung des Terminsvertreters richtet sich nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevollmächtigten, der für die Ansprüche des Terminsvertreters einzustehen hat. Keine Gebührenunterschreitung liegt vor, wenn der Terminsvertreter in einem derartigen Fall weniger als die in § 53 BRAGO vorgesehenen Gebühren erhält.
Rz. 485
Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Gebührenunterschreitung enthielt bereits § 4 Abs. 2 Satz 1 RVG a.F. (früher § 3 Abs. 5 Satz 1 BRAGO). Nach diesen Vorschriften konnte der Rechtsanwalt in außergerichtlichen Angelegenheiten Pauschal- und Zeitvergütungen vereinbaren, die niedriger sind als die gesetzlichen Gebühren. Eine solche Abrede unterlag keinem Formzwang. Nach der Novelle zum 1.7.2008 ist die Einschränkung auf Pauschal- und Zeitvergütungen entfallen. Nunmehr können gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG in außergerichtlichen Angelegenheiten Vergütungen jeglicher Art niedriger vereinbart werden, also auch Bruchteile der gesetzlichen Gebühren. Der bisherige Streit, wie streng die Begriffe Pauschal- und Zeitvergütungen zu verstehen sind, ist damit hinfällig geworden. Auch für diese Vereinbarungen gilt nunmehr das Formerfordernis der Textform (§ 3a Abs. 1 RVG).
Rz. 486
Streiten Rechtsanwalt und Mandant darüber, ob eine entsprechende Gebührenunterschreitung vereinbart wurde, so ist diese vom Mandanten zu beweisen, der durch eine solche Abrede begünstigt wird. In den früheren Regelungen der § 4 Abs. 2 Satz 4 RVG a.F. und § 3 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 BRAGO war diese Beweislastzuweisung ausdrücklich aufgeführt; der nunmehrige Wegfall dieser Bestimmungen hat zu keiner inhaltlichen Änderung der Beweislast geführt.