Rz. 40
Damit der Rechtsanwalt oder Steuerberater diese Aufgabe erfüllen kann, hat der Mandant seine vertragliche Informationspflicht zu erfüllen, also seinen Anwalt oder Steuerberater während der gesamten Dauer des Mandats wahrheitsgemäß und vollständig über die tatsächlichen Umstände seiner Rechtsangelegenheit zu unterrichten und ihm die einschlägigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob sich der Mandant auf eine mündliche Informationserteilung beschränken darf oder zu einer ergänzenden schriftlichen Unterrichtung seines Rechtsanwalts verpflichtet ist. Betrifft die Sache einen in tatsächlicher Hinsicht komplexen Sachverhalt und ist der Mandant zu einer umfassenden mündlichen Informationserteilung außerstande oder bietet diese wegen des umfassenden Zahlenmaterials Anlass für Fehler und Ungenauigkeiten, ist der Anwalt im Interesse seines Mandanten gehalten, von ihm ergänzende schriftliche Angaben zu verlangen, weil andernfalls eine schlüssige Anspruchsbegründung oder Klagebegründung nebst Beweisantritten überhaupt nicht gefertigt werden könnte. Diese Nebenpflicht des Mandanten ist das Gegenstück zur Grundpflicht eines Rechtsberaters, den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt zu klären, und ermöglicht erst eine einwandfreie Erfüllung dieser Pflicht.
Diese Informationspflicht besteht während des gesamten Mandats und erfordert z.B., dass der Mandant Entwürfe des Anwalts auf Fehler im Sachverhalt überprüft und den Anwalt hierüber unterrichtet. Auch muss der Mandant den Anwalt über die Fortentwicklung stets auf dem Laufenden halten, soweit dies für das Mandat von Bedeutung sein könnte.
Der Mandant kann mit der Informationserteilung einen (informierten) Dritten beauftragen, der in manchen Fällen besser informiert ist als der Mandant selbst.
Erhält der Anwalt trotz Aufforderung keine Unterlagen von dem Mandanten, so berechtigt ihn dies nicht dazu, ohne Rücksprache untätig zu bleiben. Er muss vielmehr ggü. dem Mandanten darauf hinweisen, dass ihm für die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage, die Einreichung einer Klage usw. die erforderlichen Unterlagen fehlen, und ggf., dass der Eintritt der Verjährung droht.
aa) Mitverschulden bei Verletzung
Rz. 41
Verletzt der Mandant seine Informationspflicht und entsteht ihm daraus ein Schaden, so kann ein Regressanspruch gegen seinen Rechtsanwalt wegen eines Mitverschuldens entfallen oder gemindert werden (§ 254 BGB; vgl. § 6 Rdn 1 ff.).
Dies kommt z.B. in Betracht, wenn der Mandant seinem Anwalt verschwiegen hat, dass Baugenehmigung und Gaststättenerlaubnis einer Erweiterung des Gaststättenbetriebs entgegenstehen und deswegen die Abwicklung eines vom Anwalt entworfenen Pachtvertrages scheitert, oder der Mandant bzw. sein Beauftragter dem Prozessbevollmächtigten unzutreffende Angaben über angeblich verjährungshemmende Verhandlungen i.S.d. § 852 Abs. 2 BGB a.F. gemacht hat und die Klage wegen Verjährung abgewiesen wird.
Dementsprechend kann dem Auftraggeber ein Mitverschulden vorzuwerfen sein, wenn er seinem Steuerberater vorspiegelt, seine Arbeitnehmer seien von der gesetzlichen Krankenversicherung befreit, und dadurch mitverursacht, dass der Steuerberater bei der übernommenen Lohnabrechnung und – kontenführung keine Beiträge zur Sozialversicherung abführt.
bb) Vertrauen auf Richtigkeit der Angaben
Rz. 42
I.d.R. darf der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Auftraggebers – oder eines Dritten, dem der Mandant die Unterrichtung seines Anwalts überlassen hat – ohne eigene Nachforschungen vertrauen, solange er deren Unrichtigkeit nicht kennt oder kennen muss. Dies gilt insb. für eine Information, die die berufliche Tätigkeit des Mandanten betrifft.
Rz. 43
Dieser Grundsatz gilt nicht für die Mitteilung von Rechtstatsachen – etwa für Angaben über die Zustellung eines Urteils oder zum Zeitpunkt des Zugangs eines Kündigungsschreibens –, für die Verwendung von Rechtsbegriffen – etwa "Abnahme eines Bauwerks", "Mietkauf", "Leihe", "Übereignung", "Rechtsnachfolge" – und für rechtliche Wertungen, etwa betreffend den Umfang einer vertraglichen Verpflichtung, einen Kleinbetrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG oder einen Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB. Solche Angaben...