Rz. 3

Nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB liegt ein Sachmangel in erster Linie dann vor, wenn das Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat, also die "Ist-Beschaffenheit" des herzustellenden Werkes von dessen "Soll-Beschaffenheit" abweicht. Als vereinbarte Beschaffenheit gelten alle Eigenschaften des Werks, die den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Hierzu zählt – neben dem Erreichen der vereinbarten Leistung bzw. der Ausführungsart – auch die Erfüllung der nach dem Willen der Parteien zu bestimmenden Funktion.[1] Maßgeblich ist damit, was die Parteien vereinbart haben: Jede Abweichung ist ein Mangel, egal, ob sie sich negativ auswirkt oder nicht.[2] Sogar eine Ausführung, die objektiv besser geeignet ist als die vereinbarte, ist nach diesem "subjektiven Mängelbegriff" mangelhaft.[3] Allerdings kann sich, wenn sich eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht oder nur in geringem Maße nachteilig auswirkt, auf der Rechtsfolgenseite die Frage stellen, ob Mängelansprüche wegen Unverhältnismäßigkeit des Mängelbeseitigungsaufwands ausgeschlossen sind (vgl. hierzu unten Rdn 16).

 

Rz. 4

Daneben verspricht der Unternehmer bei Vertragsschluss üblicherweise stillschweigend die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Eine technische Regel ist anerkannt, wenn sie der Richtigkeitsüberzeugung der technischen Fachleute im Sinne einer allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung entspricht sowie in der Praxis erprobt und bewährt ist. Auf beiden Stufen muss die technische Regel der überwiegenden Ansicht (Mehrheit) der technischen Fachleute entsprechen.[4]

Sollten beispielsweise die einschlägigen DIN-Normen nicht eingehalten worden sein, begründet dies die widerlegbare Vermutung des Verstoßes gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik und damit einhergehend das Bestehen eines Mangels, wobei dem Unternehmer der Nachweis offensteht, dass ein Werkmangel trotzdem nicht vorliegt.[5]

 

Rz. 5

Das Unterlassen von (insbesondere Bedenken- und Warn-) Hinweisen begründet für sich genommen keine Mängelhaftung des Unternehmers an deswegen eingetretenen Substanzschäden.[6] Sie können allenfalls ein Ansatzpunkt für Schadensersatzpflichten wegen Nebenpflichtverletzungen sein. Ordnungsgemäße Bedenkenanzeigen können umgekehrt aber den Unternehmer von seiner Haftung für Mängel befreien (vgl. Rdn 126).

 

Rz. 6

Wenn und soweit es an einer konkreten Beschaffenheitsvereinbarung fehlt, ist die Frage der Mangelhaftigkeit am Maßstab des § 633 Abs. 2 S. 2 BGB zu überprüfen. Ein Mangel liegt damit vor, wenn das Werk nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung geeignet ist. Wenn auch das nicht bestimmt werden kann, kommt es auf die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung an. Als Sachmangel gilt auch die Lieferung eines anderen als des bestellten Werks oder die Lieferung einer zu geringen Menge (§ 633 Abs. 2 S. 3 BGB).

 

Rz. 7

Haben die Parteien eine bestimmte Funktionalität des Werks vereinbart, schuldet der Unternehmer diese. Das gilt selbst dann, wenn die konkrete Ausführung – etwa in einem dem Vertrag zugrunde liegenden Leistungsverzeichnis – so beschrieben ist, dass mit der vereinbarten Ausführung die geschuldete Funktionalität nicht erreichbar ist und unabhängig davon, ob die Werkleistung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.[7] Ausschlaggebend ist die Funktionalität auch dann, wenn das Werk an sich zwar mangelfrei ist, planmäßig jedoch in ein anderes – sich durch unzureichende Vorleistung eines anderen Unternehmers auszeichnenden Werkes – eingegliedert wird und somit insgesamt nicht funktionstauglich ist.[8] Trotz fehlender ausdrücklicher vertraglicher Regelung ist die Funktionalität auch maßgeblich, wenn sie sich aus den dem Vertrag zugrunde liegenden Umständen – insbesondere aus vereinbarten Qualitäts- und Komfortstandards – ergibt.[9]

Wenn zum Erreichen der geschuldeten Funktionalität Zusatzarbeiten im Vergleich zu der vereinbarten Ausführung erforderlich sind, erhält der Unternehmer diese aber zusätzlich vergütet[10] (im Falle der Nacherfüllung) bzw. sind diese Kosten bei der Berechnung des Anspruchs des Bestellers als "Sowieso-Kosten" abzuziehen.

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