Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 296
Die Verkehrssicherungspflicht für Straßen und öffentliche Verkehrsflächen soll den Gefahren begegnen, die aus der Zulassung eines öffentlichen Verkehrs auf öffentlichen Straßen für Dritte entstehen können. Sie besteht gegenüber den Verkehrsteilnehmern, aber auch gegenüber den Anliegern. Die Straßenverkehrssicherungspflicht ist privatrechtlicher Natur, es sei denn, dass sie durch Gesetz oder besonderen Organisationsakt als öffentlich-rechtliche Amtspflicht ausgestaltet ist. Die Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht bestimmt sich daher grundsätzlich nach allgemeinem Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB in Verbindung mit §§ 89, 31 BGB), § 839 BGB greift ein, wenn ein Land – was in allen Bundesländern geschehen ist – die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlich geregelt hat. Die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Verkehrssicherungspflicht ist ein Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, sofern ihr Umfang nicht gesondert festgelegt ist. Bei einem Verstoß gegen die Amtspflicht zur Verkehrssicherung ist die Amtshaftung nach § 839 BGB die speziellere Regelung und schließt als Sonderregelung die Haftung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 823 ff. BGB aus. Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gilt nicht, weil die dem Amtsträger als hoheitliche Aufgabe obliegende Pflicht mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflichtdeckungsgleich ist. So verhält es sich auch, wenn die Straßenreinigungspflichten durch Ortssatzung den Anliegern übertragen sind und der Amtsträger Überwachungspflichten verletzt hat, die ihm als hoheitliche Aufgabe obliegen, und wenn der Amtsträger seine Pflicht verletzt hat, Straßenbäume auf ihre Standsicherheit zu überprüfen. Entscheidend für die Nichtanwendung des Verweisungsprivilegs ist also, ob sich die einem Amtsträger als hoheitliche Aufgabe obliegende Pflicht mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht deckt, die jeden trifft, der einen Verkehr eröffnet.
a) Abgrenzung zur Verkehrsregelungspflicht und zur polizeimäßigen Straßenreinigungspflicht
Rz. 297
Inhalt der Verkehrsregelungspflicht ist es, für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu sorgen; dazu sind Verkehrszeichen und sonstige Verkehrseinrichtungen aufzustellen. Die Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen (§ 45 StVO) ist eine hoheitliche Aufgabe und obliegt als Amtspflicht der örtlich und sachlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde (§ 44 Abs. 1, § 45 Abs. 3, 4 StVO) oder, wenn sie zur Durchführung von Straßenbauarbeiten erfolgt, den Straßenbaubehörden (§ 45 Abs. 2 StVO). Hier gilt das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Aufstellen von Gefahrzeichen kann zur Erfüllung der Verkehrsregelungs- und der Verkehrssicherungspflicht geboten sein. Das ist zB der Fall, wenn Wild häufig eine Straße überquert; dann kann es zur Sicherheit der Verkehrsteilnehmer geboten sein, das Gefahrzeichen "Wildwechsel" anzubringen.
Rz. 298
Sowohl die Verkehrsregelungs- als auch die Verkehrssicherungspflicht verfolgen das Ziel, Gefahren durch den öffentlichen Straßenverkehr zu vermeiden. Für beide Pflichten gelten vergleichbare Maßstäbe, sie sind haftungsrechtlich einheitlich zu betrachten. Ein Nebeneinander der Haftung aus der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht...