Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1183
Alle das Maß der Betriebsgefahr bestimmenden Faktoren müssen für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein. Fehlt es daran, müssen sie bei der Festlegung des auf den einzelnen Beteiligten entfallenden Haftungsanteils außer Betracht bleiben. So darf die alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit eines am Unfall beteiligten Kraftfahrzeugführers bei der Abwägung nach § 17 StVG immer nur dann berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass sie sich in dem Unfall niedergeschlagen hat. Die allgemeine Betriebsgefahr des § 17 Abs. 1 StVG wirkt sich bei einem Verkehrsunfall in aller Regel aus. Der in Anspruch genommene Halter oder Kraftfahrzeugführer hat die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass dies ausnahmsweise nicht der Fall war. Fehlt es dazu an einem konkreten Vorbringen, ist von der Mitwirkung der allgemeinen Betriebsgefahr bei der Entstehung des Schadens auszugehen. Einer gesonderten Prüfung und Feststellung bedarf es hingegen bei allen gefahrerhöhenden Umständen.
Rz. 1184
Das gilt unabhängig davon, ob sie auf einem Verschulden beruhen oder aus sonstigen Gegebenheiten folgen. Im Ausgleichsfall des § 17 Abs. 1 StVG hat derjenige, der Ansprüche geltend macht, diese gefahrerhöhenden Tatsachen bei der Mitverursachung des Schadens durch den Ausgleichsschuldner darzulegen und zu beweisen.
Rz. 1185
Ob die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, ist stets konkret zu prüfen. Auf die allgemeine Gefährlichkeit eines Verkehrsverhaltens, der Bauart eines Fahrzeuges oder eines allgemein gefahrträchtigen Verkehrsvorganges kommt es allein – ohne Feststellung der konkreten Auswirkung im Schadensfall – nicht an. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Verhaltensvorschriften der StVO generell den Zweck haben, die Gefahren des Straßenverkehrs abzuwehren und Verkehrsunfälle zu verhindern. Beruht ein Unfall auf dem – festgestellten – Verstoß gegen Regeln der StVO, dann ist dieser ursächliche Verstoß bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile zu berücksichtigen.
Rz. 1186
Da es für eine Haftung aus § 7 Abs. 1 grundsätzlich allein erforderlich ist, dass der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeuges entstanden ist, hängt die Haftung dem Grunde nach nicht davon ab, dass sich der Fahrzeugführer verkehrswidrig verhalten hat. Allerdings rechtfertigt auch nicht die bloße Anwesenheit eines in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuges an der Unfallstelle die Annahme, der Unfall sei bei dessen Betrieb entstanden. In den Fällen, in denen es zu keiner Kollision kommt, ist die Feststellung erforderlich, dass die Fahrweise des Fahrers oder eine von dem Betrieb des Fahrzeuges typischerweise ausgehende Gefahr zu der Entstehung des Unfalles ursächlich beigetragen hat. Hierfür ist ein bestimmtes Verhalten des Fahrers erforderlich, das bei objektiver Betrachtungsweise geeignet war, auf den Unfallgegner einzuwirken. Entscheidend ist, ob dieser in der konkreten Unfallsituation die Gegenwart des Fahrzeuges als gefährlich empfinden musste oder zumindest durfte. Dementsprechend ist anerkannt, dass das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG entsprechend dem Schutzzweck der Norm weit auszulegen ist und deshalb ein Unfall, der sich infolge einer Abwehr oder Ausweichreaktion ereignet hat, selbst dann dem Betrieb des die Reaktion auslösenden Kraftfahrzeuges zuzurechnen sein kann, wenn diese objektiv nicht erforderlich war. Andererseits muss aufgrund einer insoweit gebotenen wertenden Betrachtung des Schadensgeschehens stets die Feststellung getroffen werden können, dass die Reaktion des geschädigten Verkehrsteilnehmers aus seiner Sicht subjektiv vertretbar erschien. Es müssen sich daher konkrete Anhaltspunkte dafür feststellen lassen, dass das Verhalten des gegnerischen Fahrzeuges dem Geschädigten subjektiv Anlass zu der Befürchtung geben konnte, es werde ohne seine Reaktion zu einer Kollision mit dem anderen in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeug kommen. Diesen ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Betrieb des Kraftfahrzeuges hat der Ausgleichsgläubiger zu beweisen.