Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 1284
Die Geschwindigkeit eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges ist jeweils im Zusammenhang mit dem Kollisionsgeschehen zu beurteilen. Stets muss die Ursächlichkeit einer bestimmten Geschwindigkeit für den Schadensfall feststehen. Gegebenenfalls kann sie haftungsrelevante – gefahrerhöhende – Bedeutung auch dann erlangen, wenn ein schuldhaftes Verhalten nicht nachgewiesen ist. Die Abwägung nach Prozenten der jeweiligen Geschwindigkeitsüberschreitung erscheint nicht sachgerecht, da eine solche Zahl noch nichts über die Bedeutung in der jeweiligen Unfallsituation aussagt. Deshalb darf von der Rechtsprechung dazu auch keine Vereinheitlichung erwartet werden. Die Rechtsprechung hat aber zu berücksichtigen, dass überhöhte Geschwindigkeit eine der häufigsten Unfallursachen ist und die Bewegungsenergie im Quadrat der Geschwindigkeit steigt. Die Gefährlichkeit eines auch nur mit leicht überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Kraftfahrzeuges kann daher schon deshalb deutlich höher einzustufen sein.
Rz. 1285
Die Haftungsverteilung von 2:3 kommt bei Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit im fließenden Verkehr von mehr als 100 % zum Nachteil des zu schnell Fahrenden im Verhältnis zum Anfahrenden in Betracht. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 % kann die Haftungsverteilung im Verhältnis von 1:1 ausfallen. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung im fließenden Verkehr von nur 26 % kann gegenüber einem groben Fehlverhalten nach § 10 StVO zurücktreten. Die Mithaftung eines Bevorrechtigten des fließenden Verkehrs kann ⅓ betragen, wenn er unfallursächlich gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hat.
Rz. 1286
Hat ein schuldlos an einem Verkehrsunfall Beteiligter die Autobahnrichtgeschwindigkeit deutlich (hier um 20 km/h) überschritten und kann er nicht beweisen, dass der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h nicht hätte vermieden werden können, ist sein Ersatzanspruch aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges um 25 % gemindert.
Rz. 1287
Wer in einem 30 km/h-Bereich mit 68 km/h fährt und infolge der überhöhten Geschwindigkeit einen Unfall verursacht, trägt auch dann, wenn er im Gegenverkehr mit einem verbotswidrig vom linken Fahrbahnrand anfahrenden Pkw kollidiert, den größeren Verursachungsanteil; hier 2:1.
Rz. 1288
Die Haftungsverteilung im Verhältnis von 2:1 zum Nachteil des mit rund 100 % Geschwindigkeitsüberschreitung in eine Baustelle einfahrenden Pkws ist angemessen, wenn er mit einem von einem Mehrzweckstreifen anfahrenden Lkw kollidiert. Wer in der Dunkelheit wegen eines Verstoßes gegen das Sichtfahrgebot auf ein unbeleuchtet auf der Fahrbahn abgestelltes Fahrzeug auffährt, muss eine Anspruchskürzung um 25 % oder um 30 % hinnehmen. Führt der Verstoß gegen das Sichtfahrgebot dazu, dass jemand in der Dunkelheit auf ein Fahrzeug auffährt, das nach einem von seinem Fahrer nicht verschuldeten Unfall auf dem linken von zwei Richtungsfahrstreifen zum Stillstand gekommen ist, so überwiegt der Schadensverursachungsanteil des Auffahrenden im Verhältnis von 60 zu 40.
Rz. 1289
Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch einen vorfahrtberechtigten Pkw-Fahrer überschritten und wäre die Kollision mit einem in die Kreuzung einfahrenden, wartepflichtigen Mokick-Fahrer bei zulässiger Geschwindigkeit vermieden worden, rechtfertigt dies eine Haftungsbelastung des Pkw von 30 %.
Rz. 1290
Der Pkw-Fahrer, der im Berufsverkehr auf einer Fahrbahn mit einem Gefälle von 7 % die innerörtlich zulässige Geschwindigkeit erheblich überschreitet – statt 50 km/h 88 bis 102 km/h – und deshalb mit einem Pkw kollidiert, der sich durch die Lücke einer Kolonne in die Vorfahrtstraße hineintastet, haftet für den Unfallschaden allein.
Rz. 1291
Setzt ein Vorfahrtsberechtigter bei dichtem Nebel seine Geschwindigkeit nicht angemessen herab, kann ihn im Verhältnis zum querenden Verkehr bei einer Kollision die überwiegende Haftung treffen – hier: 70 %.
Rz. 1292
Ein erhebliches Zu-schnell-Fahren kann eine beträchtliche Mithaftung des Vorfahrtberechtigten begründen. Dennoch erscheint es geboten, auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von nur etwas mehr als 30 % den Haftungsanteil des Wartepflichtigen überwiegen zu lassen; hier 1:3 zu dessen Lasten. Eine Haftungsverteilung im Verhältnis von 30 zu 70 zugunsten des Vorfahrtberechtigten ist sachgerecht, wenn der Vorfahrtberechtigte in der Dunkelheit gegen das Sichtfahrgebot verstößt und es zum Unfall mit einem aus der untergeordneten Straße einbiegenden Kraftfahrzeug kommt. Eine unfallverursachende Geschwindigkeitsüberschreitung des Vorfahrtberechtigten um 25 % und etwas mehr kann nach § 17 StVG zur Anspruchskürzung um ein Drittel führen. Eine unfallursächlich gewordene Geschwindigkeitsüberschreitung im Bereich von 50 bis 100 % rechtfertigt im Verhältnis zu einer Vorfahrtverletzung in aller Regel eine Mithaftung im Umfang von mindestens 50 %.
Rz. 1293
Die Betriebsgef...