Karl-Hermann Zoll, Dr. iur. Frank Fad
Rz. 754
§ 833 BGB: Haftung des Tierhalters
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
§ 834 BGB: Haftung des Tieraufsehers
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
I. Schutzzweck der Haftung
Rz. 755
§ 833 S. 1 BGB begründet eine reine Gefährdungshaftung. Der Schutzbereich jeder Gefährdungshaftung umfasst nur Schäden, die eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren sind, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der jeweiligen Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll. Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB und Schutzzweck der Norm liegt in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung der Gesundheit und des Eigentums Dritter, für die der Halter als derjenige, der die Gefahr im eigenen Interesse schafft und beherrscht, einstehen soll. Mit dem 1908 eingefügten § 833 S. 2 BGB wurde die Gefährdungshaftung nach S. 1 der Vorschrift auf sog. Luxustiere beschränkt, während für Nutztiere eine Verschuldenshaftung bei gesetzlich vermutetem Verschulden entstand. § 833 S. 2 BGB betrifft einen besonderen Fall der Haftung für Verkehrssicherungspflichtverletzungen von Tierhaltern.
II. Schadensverursachung durch ein Tier
1. Tierbegriff
Rz. 756
§ 833 BGB erfasst die Schadensverursachung durch ein Tier. Eine Legaldefinition des Begriffs Tier fehlt, obwohl das Tier in mannigfachen gesetzlichen Vorschriften, etwa Art. 20a GG, §§ 90a S. 1, 833, 834, 903 S. 2, 960 BGB, §§ 1 ff. TierSchG, § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BNatSchG behandelt wird. Der Begriff wird im juristischen Schrifttum überwiegend naturwissenschaftlich-biologisch definiert. Zweifellos gehören zu den Tieren höher entwickelte Lebewesen, die mit Sinneswerkzeugen und einem Nervensystem ausgestattet sind, wie etwa Bienen, Fische, Mäuse, Katzen, Hunde, Schweine, Rinder und Pferde. Mikroorganismen (Pilze, einzellige Pflanzen, Urtierchen und Bakterien) und Viren sind nach herrschender Meinung keine Tiere in diesem Sinne. Eine erweiternde Auslegung des Tierbegriffs auf Mikroorganismen erscheint im Hinblick auf den auf der allgemeinen Sprachverwendung ruhenden Wortlaut, der Entstehungsgeschichte der Norm sowie des Ausnahmecharakters einer Gefährdungshaftung gegenüber der grundsätzlichen Verschuldenshaftung nicht geboten. Inzwischen sind spezielle Haftungs- und Entschädigungsbestimmungen entstanden, die die hierauf beruhende Gefahr berücksichtigen (§ 32 GenTG, § 56 IfSG, § 15 TierGesG).
Für Wildschäden besteht keine Tierhalterhaftung, weil Wildtiere herrenlos sind (§ 960 Abs. 1 S. 1 BGB). Deshalb bestimmte der frühere § 835 BGB gesondert neben der Tierhalter- und Tierhüterhaftung, dass der Jagdberechtigte dem Grundstückseigentümer auf Ersatz des durch jagdbares Wild verursachten Schadens haftet. Diese Norm ist bereits 1952 entfallen. Nunmehr bestehen mit den §§ 29–35 BJagdG spezielle Haftungsbestimmungen. Die Haftung hieraus trifft den Jagdausübungsberechtigten, meist den Jagdpächter.
2. Haftungsbegründende Kausalität
Rz. 757
D...