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An dieser Stelle soll dem Juristen aufgezeigt werden, welche Arten von Spuren überhaupt bei einem Kollisionsgeschehen auftreten können. Hierzu ist zunächst auf den "Klassiker", die sog. Bremsspur hinzuweisen. Nicht durch das Anti-Blockier-System (ABS) unterstützte Fahrzeuge zeichnen bei Vollverzögerung durch Blockieren der Räder eine massive Spur auf der Fahrbahn. Der Reifengummi reibt sich hierbei über die Fahrbahnoberfläche ab, so dass eine schwarze Antragung auf dem Untergrund eintritt (Abb. 2.3).

 

Abb. 2.4 zeigt eine Bremsspur, die aus einem konkreten Gutachtenfall übernommen wurde. Es ist hier die Bremsspur eines Zweispurfahrzeuges zu erkennen. Es ist weiterhin zu erkennen, dass die rechte Spur länger gezeichnet wurde als die linke. Dies ist damit zu begründen, dass das Fahrzeug während der Bremsung eine Lenkbewegung noch nach rechts vollzog, so dass die linken Räder durch die Einfederung des Fahrzeuges stärker belastet wurden. Somit wurden die Räder rechtsseitig entlastet, wodurch das rechte Rad eher blockieren konnte und die Spurzeichnung somit eher einsetzte.

 

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Eine weitere Besonderheit an dieser Bremsspur ist die sog. Umkehrspur, die einen genaueren Rückschluss auf den Kollisionsort zulässt. Das Fahrzeug blockierte zunächst in Fahrzeuglängsrichtung, wurde dann durch den Anprall gegen das entgegenkommende Fahrzeug wieder zurückgedrückt, wodurch die Bremsspur dann in Gegenrichtung weitergezeichnet wurde. Da der Pkw durch die Wucht des Anpralls nach rechts aus der Kollision herausdrehte entstand eine bogenförmige Spur (Abb. 2.5 und Abb. 2.6).

 

Eine solch eindeutige Bremsspurzeichnung tritt nur bei Fahrzeugen auf, die nicht mit ABS ausgestattet sind. Folglich ist eine Bremsspurzeichnung, wie sie oben angeführt wurde, nicht mehr allzu häufig zu finden.

 

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Beim ABS wird zwar ein Blockieren der Räder verhindert, was jedoch nicht gleich bedeutet, dass ABS-gebremste Fahrzeuge keine Spuren erzeugen.

 

In Abb. 2.7 sieht man eine Bremsspur, die durch ein ABS-geregeltes Fahrzeug erzeugt wurde. Die ABS-Einheit erkennt, ob ein Rad zu blockieren droht und regelt die Bremsanlage so gezielt, dass das Rad immer an der "Blockiergrenze" abgebremst wird. Dies geschieht durch gezielte Änderung des Bremsdruckes am jeweiligen Rad. Es erfolgt eine definierte Abbremsung. Der Vorteil dabei ist, dass das Rad trotz einer starken Verzögerung immer noch kontrollierbar bleibt, indem es Seitenführungskräfte aufnehmen kann. Bei stehendem Rad ist dies nicht möglich, weshalb ein Fahrzeug mit blockierenden Rädern auch nicht mehr lenkfähig ist. Beim ABS-System bleibt das Fahrzeug trotz Vollbremsung aber noch manövrierfähig.

Es kann während der Regelphase ein kurzer Stillstand des Rades eintreten, wobei in dieser Phase des Regelkreises dann eine Spurzeichnung erfolgt, wie sie in Abb. 2.7 zu sehen ist. Detailliert gibt dies Abb. 2.8 wieder. Hier sind die einzelnen Regelspuren zu erkennen – im Bild markiert mit 4R, 5R sowie 6R. Zwischen den kurzen "Blockierspuren" liegt bei dem o.g. Beispiel eine Distanz von einem knappen Meter vor. Dies kann je nach ABS-System variieren.

Folglich lassen sich auch bei ABS-gebremsten Fahrzeugen "Bremsspuren" zuordnen. Dies hängt natürlich von der Güte des Reifens, also der Zeichnungsfreudigkeit des Reifenmaterials und vom Untergrund ab. Das soll nicht heißen, dass zwangsläufig bei jeder ABS-Vollbremsung auch eine konkrete Spurzeichnung erfolgen muss. Es ist jedoch so, dass im günstigsten Fall eine solche gezeichnet werden kann, die ggf. nur durch Veränderung des Blickwinkels erkennbar sind. Aus diesem Grund sollte bei einer Unfallaufnahme die Örtlichkeit immer kritisch auf solche Spuren geprüft werden.

 

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Bei Bremspuren ist es auch Voraussetzung, dass der Sachverständige prüft, ob eine eindeutige Zuordnung der Spuren zu den jeweiligen Fahrzeugen erfolgen kann. Bei Bremsspuren muss die Spurweite des Fahrzeuges (Abb. 2.9), also der Abstand zwischen den beiden Radaufstandspunkten in Querrichtung mit der Bremsspur übereinstimmen.

 

In Abb. 2.10 ist z.B. die Spurzeichnung eines einspurigen Fahrzeuges gezeigt. Hier kam es zum Zusammenstoß eines Motorrades mit einem abbiegenden Pkw. Diese Spur ist eindeutig dem Motorrad zuzuordnen, da es sich hierbei um ein einspuriges Fahrzeug handelt.

Bei Zweispurfahrzeugen ist es möglich, über die Spurweite (Abb. 2.9) eine Zuordnung zu tätigen. Sollte z.B. ein Transporter oder ein Nutzfahrzeug verwickelt sein, ist die Spurweite deutlich größer als bei einem Pkw.

Weiter ermöglicht es eine kritische Prüfung, die Spuren der Hinter- oder Vorderachse zuzuordnen.

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