Rz. 608
Immaterialgüterrecht hält sich nicht an Ländergrenzen (Grundsatz der Ubiquität). Dennoch knüpft auch das Urheberrechtsgesetz an räumliche (territoriale) Tatbestände an (es gilt das Territorialitätsprinzip, das allerdings durch zahlreiche internationale Vereinbarungen erweitert wird und insoweit vom Universalitätsprinzip überlagert ist).
Rz. 609
Ausdruck des Territorialitätsprinzips ist die Feststellung, dass das Entstehen eines Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, die Rechtsinhaberschaft, Inhalt und Umfang des Rechts, dessen Übertragbarkeit und Schutzdauer nach dem Recht des Staates zu beurteilen ist, in dessen Land es seinen Ursprung hat (Ursprungslandprinzip), dagegen die Rechtsverfolgung das Recht des Staates meint, für dessen Gebiet Schutz beansprucht wird (Schutzlandprinzip). Zwar sind die Regelungen des Urheberrechtsgesetzes auf das deutsche Hoheitsgebiet begrenzt, sodass etwa außerhalb begangene Verletzungshandlungen dieses Gesetz nicht tangieren. Gleichwohl können ausländische Sachverhalte Einfluss auf inländische Rechtsverhältnisse haben, etwa bei der Erschöpfung des Verbreitungsrechts gem. § 17 Abs. 2 UrhG (Auswirkungsprinzip). Wird etwa ein Buch eines deutschen Autors in Frankreich verbreitet, so kann dieser den Verkauf in Deutschland nicht mehr verbieten.
Im Urheber- und Medienrecht wird schließlich auch auf das Herkunftslandprinzip/Ursprungslandprinzip abgestellt. Sowohl das Urheberrecht, etwa in § 20b UrhG, als auch das UrhDaG sowie § 3 TMG nehmen hierauf Bezug. Für einen Diensteanbieter gem. § 2 UrhDaG, der seinen Sitz in einem EU-Mitgliedstaat hat und grenzüberschreitend Dienste in einem anderen Mitgliedstaat der EU anbietet, ist im "koordinierten Bereich", etwa im Hinblick auf Werbung, das Recht des Staats anzuwenden (Art. 3 E-Commerce-RL, § 3TMG), in dem dieser seinen Sitz hat. Allerdings ist das Urheberrecht als nicht koordinierter Bereich (siehe Art. 1 Abs. 4 E-Commerce-RL) hiervon horizontal ausgenommen (§ 3 Abs. 4 Nr. 6 TMG).
Rz. 610
Des Weiteren ist klarzustellen, dass auch ausländische Rechtsverletzungen im Inland verfolgt werden können, etwa wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Allerdings hat das angerufene Gericht das jeweils anwendbare Auslandsrecht heranzuziehen.
Rz. 611
Anknüpfungspunkte für die Anwendung deutschen Urheberrechts ist, dass eine dem Urheber- oder Leistungsschutzberechtigten vorbehaltene Handlung mindestens teilweise auf deutschem Territorium vorgenommen wurde.
Beispiel
Ein Hersteller von Möbelimitaten in Italien wirbt in Deutschland, woraufhin ein deutscher Kunde die Möbelimitate bestellt, die dann von Italien nach Deutschland geliefert werden. In diesem Fall findet deutsches Recht Anwendung.
Rz. 612
Im Hinblick auf das internationale Urhebervertragsrecht ist ebenfalls die Frage nach dem anwendbaren Recht zu beantworten. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass das schuldrechtliche Vertragsstatut (Rom I-VO) sich grundsätzlich nur auf Verpflichtungsgeschäfte bezieht. Fraglich ist aber, wie die Verfügungsgeschäfte hier einzuordnen sind. Nach der sog. Spaltungstheorie ist auf das Verfügungsgeschäft das Recht des jeweiligen Schutzlandes anzuwenden. Dies wird aber von der herrschenden Einheitstheorie zu Recht abgelehnt. Denn beide Geschäfte sind in solchen Verträgen "eng verklammert"
Rz. 613
Beispiel
Schließt ein deutscher Musikproduzent (mit Sitz in Deutschland) mit einem französischen Künstler (wohnhaft in Frankreich) einen Künstlervertrag, so ist sowohl für das Vertragsrecht als auch für die damit einhergehende Rechtseinräumung (als Verfügungsgeschäft) "einheitlich" (wenn keine Rechtswahl gem. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO getroffen wurde) gem. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO an den Ort der Dienstleistung deutsches Recht anzuknüpfen (vorausgesetzt die "charakteristische Leistung" wird durch den Musikproduzenten durchgeführt). Es findet deutsches Recht Anwendung.
Rz. 614
Im Hinblick auf das Vertragsstatut wird die Frage diskutiert, ob durch die Rechtswahl die (vertragsrechtlichen) Vorschriften des deutschen Urheberrechts "abwählbar" sind, oder diese nicht als (international) zwingende Normen (Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO bzw. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO) unverzichtbar sind. Eine solche Norm ist § 32b UrhG, die zum Ausdruck bringt, dass die zwingenden Regelungen über die angemessene Vergütung (§§ 32 und 32a UrhG) nicht durch die Wahl eines ausländischen Vertragsstatuts umgangen werden können. Allerdings gilt das (im Umkehrschluss) nicht für sonstige Normen, die national eben nicht zwingend sind und auf die man (jedenfalls im Nachhinein) verzichten kann, wie etwa §§ 32c Abs. 3, 34 Abs. 5 S. 1, 40 Abs. 2, 41 Abs. 4 S. 1 und 42 Abs. 2 S. 1 UrhG.
Rz. 615
Speziell für die Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums ist Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO als eine besondere Ausprägung der unerlaubten Handlung heranzuziehen.