Rz. 89
Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) umschließen unterschiedliche Gegenstände.
a) Werke der bildenden Künste
Rz. 90
Die bildende Kunst umfasst Malerei einschließlich Grafik, Plastik, Bildhauerei, Collagen, Happenings und ähnliche neuere Formen künstlerischen Schaffens. Der in diesem Kontext verwandte Kunstbegriff ist "schillernd" wie kein anderer. Hierauf geht Rehbinder treffend ein, wenn er ausführt, dass die Idee, den Kunstbetrieb zu ironisieren oder bestimmte Kunst zu kritisieren, indem man Nicht-Kunst oder Anti-Kunst präsentiert, nicht originell sei. Dies wird besonders deutlich, wenn etwa der Popart-Künstler Robert Rauschenberg ein weißes Blatt mit der Unterschrift "Ausradierter Kooning" darstellt, oder auf der "Dokumenta" Kassel ein in den Boden gegrabenes 10 Meter tiefes Loch als "Erdloch" präsentiert wird. Die dahinter stehende Idee der Präsentationstheorie versucht dieses Phänomen so zu fassen, dass der Schutzgegenstand nicht die Schöpfung selbst sei, sondern jeder "statische einmalige" Gegenstand, der von einem Rechtssubjekt als Werk der Öffentlichkeit "präsentiert" wird. Die h.M. lehnt einen solchen weiten Werkbegriff der bildenden Künste ab, verlangt vielmehr eine Gestaltungsform, bei der der Künstler seinem Ausdruckswillen in Formen oder in Formen und Farben Gestalt verleiht.
Rz. 91
Zwei Entscheidungen zur Verhüllung des Reichstages sorgten für besondere Aufmerksamkeit. Festgestellt wurde ein besonderes Maß an Originalität und eine besondere Schöpfungshöhe infolge der durch Wind- und Lichteinflüsse hervorgerufenen ständig wechselnden Farbschattierungen und Faltenbewegungen sowie durch den Kontrast zwischen silbernem Farbton der Ummantelung und der blauen Farbe der horizontalen Einschnürungen, insbesondere auch durch die Auskragungen im Bereich der Ecktürme. Weiter wurde "Le Corbusier-Möbeln" Werkqualität zuerkannt, weil sich deren Formgestaltungselemente zu einem Ganzen von herausragend eigentümlicher ästhetischer Wirkung zusammenfügen. Die Rechtsprechung gewährt Werkschutz für "Möbelklassiker", "Unikatrahmen", für einen Designerstuhl, und für Modeschöpfungen und für eine Wagenfeld-Leuchte, nicht aber einem Picasso-Auge.
b) Werke der Baukunst
Rz. 92
Werke der Baukunst sind ausdrücklich in § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG aufgeführt. Der BGH hat schon früh erkannt, dass auch Wohnhäuser, Gemeinschaftsheime usw. und selbst ausgesprochen technische Zweckbauten, wie z.B. Brücken, in gleicher Weise wie Erzeugnisse des Kunstgewerbes kunstschutzfähig sind, wenn und soweit sich in ihnen ein künstlerisches Schaffen in der Leistung des Architekten offenbart. Dies gilt für Verwaltungs- und Bürogebäude bei besonderer Gestaltung, die auf ästhetischen Eindruck hin ausgerichtet ist. Auch bei Wohngebäuden können etwa besonders aufgegliederte Giebelseiten und geschmackvolle Proportionen Urheberrechtsschutz begründen, dies übrigens schon für die zugrunde liegenden Entwürfe (also auch schon für das Entwurfsstadium) und eventuell sogar auf gewisse Teile bezogen (etwa besonderer Schutz der Fassade). Sowohl einem Kirchenschiff als auch der Kirchen-Innenraumgestaltung wurde Urheberrechtsschutz zuerkannt.
c) Werke der angewandten Kunst und Designschutz
Rz. 93
Die von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ebenfalls erfassten Werke der angewandten Kunst werfen in mehrerer Hinsicht Probleme auf. Zunächst ist diese Werkkategorie von der so genannten zweckfreien bildenden Kunst abzugrenzen, sodann ist die Grenzziehung zu dem Designschutz vo...