Rz. 214
Das Senderecht ist das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Drahtfunk oder ähnliche technische Einrichtungen, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 20 UrhG). Dieser weite Senderechtsbegriff umfasst den Ton- und Fernsehrundfunk, die drahtlose wie die drahtgebundene Werkübermittlung und schließlich nicht nur die ursprüngliche Sendung, sondern auch jede weitere Sendung.
Rz. 215
Beispiel
Mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit wurde die "Murphy"- Entscheidung des EuGH zur Zulässigkeit der Einschränkung von Exklusivlizenzen für europaweit ausgestrahlte Fernsehsendungen bedacht. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Karen Murphy betreibt einen Pub in England. Sie hat für ihre Gäste eine Decodierungskarte des griechischen Fernsehanbieters der englischen Premier League besorgt, so dass die Spiele der Premier League zu einem wesentlich günstigeren Preis als bei einem Abonnement über die Football Association Premier League (FAPL) angeschaut werden konnten. Die FAPL wehrte sich gegen die aus ihrer Sicht illegale Nutzung der ihr zustehenden Fernsehrechte, weil sie unterschiedliche länderbezogene Lizenzen europaweit wirksam vergeben habe. Die Lizenz für das Sendegebiet von Griechenland werde aber umgangen, wenn die Sendungen mittels der Decodierungskarte von der griechischen Sendeanstalt abgerufen würden.
Die dem EuGH vorgelegten Fragen betrafen insofern die Territorialität, als zunächst die verschiedenen landesweit vergebenen Schutzrechte tangiert sind. Der griechische Sender hat zwar legal das Senderecht erworben und ebenso legal Decodierungskarten erstellen lassen, gleichwohl aber das diesem zugewiesene Sendegebiet verlassen, weil die Sendung nunmehr wieder in England empfangen wird. Ökonomischer Hintergrund sind die nach potenziellen Zuschauern gestaffelten unterschiedlichen Lizenzhöhen. Es fällt nicht schwer nachzuvollziehen, dass die Lizenzbeträge für griechische Fernsehzuschauer erheblich niedriger sind als für die englischen. Dieses Preisgefälle hat Frau Murphy (und deren Zuschauer in den Kneipen) ausgenutzt. Territorialität heißt hier nichts anderes, als dass nach verschiedenen Mitgliedstaaten der EU gestaffelt, unterschiedliche Lizenzen vergeben werden. Der EuGH hat dieses territoriale Lizenzsystem auch nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Allerdings sei die Grenze dann erreicht, wenn die Grundfreiheiten – vorliegend die der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) – im Binnenmarkt ohne zwingende Gründe des Allgemeinwohls eingeschränkt würden. Zu diesen Gründen gehören zwar geistige Schutzrechte wie u.a. das Urheberrecht. Allerdings stellt der EuGH auch fest, dass es kein spezifischer Inhalt des geistigen Eigentums sei, dem Inhaber die höchstmögliche Vergütung zu verschaffen. Zwar sei ein Preisaufschlag für die territoriale Exklusivität grundsätzlich denkbar, dieser dürfe aber nicht zu einer Marktabschottung führen. Das sei aber hier der Fall, weil die Preise der FAPL auf die maximale Preisgestaltung zielen. Die durch nationale Verbote erzielte Preisdifferenz kann also den Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen. Diese Lösung kann man nur dann nachvollziehen, wenn man das Territorialitätsprinzip im europäischen Kontext sieht, das durch die Grundfreiheiten der EU maßgeblich ausgeformt wird. Künftig dürfen Sportfans und Kneipenbesitzer Verträge über Sendeabonnements und die hierfür erforderlichen Decoder mit ausländischen Anbietern abschließen. Fußballlizenzen dürften in Zukunft europaweit an einen Lizenznehmer vergeben werden.
Rz. 216
Ob hieraus eine internationale Erschöpfung des Senderechts gefolgert werden kann, ist fraglich. Jedenfalls ist die Wirkung ähnlich wie bei Waren, nämlich dass mit der ersten legalen Lizenzvergabe innerhalb der EU/EWR eine angemessene Vergütung erzielt wird und danach keine weiteren Unterlassungsansprüche aus der Verletzung geistiger Schutzrechte mehr bestehen.
Rz. 217
Im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit stellt sich die Frage, welches Recht Anwendung findet. Grundsätzlich ist das Sendeland maßgeblich (Sendelandprinzip). Es macht durchaus Sinn, das Recht des Staates zur Anwendung zu bringen, von wo aus eine Rundfunksendung ausgestrahlt wird. Dadurch erfolgt eine Quasi-Vereinheitlichung (Harmonisierung) des Rechts. Von der Idee her wird also nunmehr das Territorium der "Ausstrahlung" als einheitlicher Raum angesehen, der insofern das Gegenstück zum Schutzlandprinzip darstellt. Denn wenn auf alle maßgeblichen Sachverhalte das Recht des Herkunftsstaates Bezug genommen wird, dann vermeidet man eben ein "Mosaik" unterschiedlicher Normen.
Rz. 218
Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass die Regel der rechtlichen Zuordnung zu einem Territorium durch die "Ausstrahlung" auf andere Staatsgebiete nur mit erheblichen Ausnahmen möglich ist, was auf die Bogsch -Theorie zurückzuführen ist. Danach ist Ausgangspunkt das Sendeland als Herkunftsland. Da die reine Herkunftsbetrachtung von ...