Rz. 1529
Der Anwalt kann in derselben Angelegenheit Gebühren nur einmal fordern (§ 15 Abs. 2 RVG). Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Anwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Um "dieselbe Angelegenheit" annehmen zu können, müssen folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
▪ |
Neben einem einheitlichen Auftrag und |
▪ |
einem gleichen Tätigkeitsrahmen |
▪ |
muss zwischen den einzelnen Gegenständen ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen, |
d.h. es muss sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln.
Rz. 1530
Der BGH führt dazu aus:
Zitat
Ein Rechtsanwalt kann die Gebühr gemäß Nr. 2300 RVG VV auch dann nur einmal aus dem Gesamtgegenstandswert und nicht zweimal aus (dann niedrigeren) Teilgegenstandswerten verlangen, wenn die von ihm für seinen Mandanten geltend gemachte Forderung außergerichtlich nur teilweise erfüllt wird und ihm deshalb für den noch offenen Teil der Forderung Klageauftrag erteilt wird.
…
Ob die Gebühren für die Inanspruchnahme anwaltlicher Tätigkeit einheitlich aus einem Gesamtwert oder, was für den Rechtsanwalt insbesondere im Hinblick auf den degressiven Verlauf der Gebührentabelle regelmäßig günstiger ist, jeweils gesondert aus dann niedrigeren Teilwerten berechnet werden, hängt – wie sich aus §§ 15, 22 RVG ergibt – davon ab, ob es sich um eine oder mehrere Angelegenheiten handelt. Unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne wird dabei das gesamte Geschäft verstanden, das der Rechtsanwalt auftragsgemäß für seinen Auftraggeber besorgen soll. Vorliegend war dies die außergerichtliche Geltendmachung der gesamten Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Unfallverursacher und die hinter ihnen stehende Haftpflichtversicherung.
Durch die weiteren Geschehensabläufe hat sich hieran nichts geändert. Die maßgebliche Einheitlichkeit des Auftrags wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die vom Rechtsanwalt geschuldete außergerichtliche Geltendmachung einer Forderung nur teilweise zum Erfolg führt. Denn auch die sich nach Zahlung eines Teilbetrags ggf. nur noch auf einen Teilbetrag der ursprünglichen Forderung beziehende außergerichtliche Tätigkeit wird vom Rechtsanwalt aufgrund des ursprünglichen Auftrags geschuldet. Ebenso wenig führt der Umstand, dass dem Rechtsanwalt hinsichtlich des vorgerichtlich nicht ausgeglichenen Teils der Forderung schließlich auch Klageauftrag erteilt wird, dazu, dass seine vorgerichtliche Tätigkeit insoweit nicht mehr vom ursprünglichen Auftrag umfasst wäre.“
Rz. 1531
Auftragsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen nur dann i.d.R. ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann.
Rz. 1532
Ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, ergibt sich aus den jeweiligen Einzelfallumständen, maßgeblich bestimmt durch den Inhalt des erteilten Auftrags.
Rz. 1533
Die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger ist eine einzige Angelegenheit, wenn den Schädigern eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist.
Rz. 1534
Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit besteht auch, wenn der Anwalt verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat.
Rz. 1535
Vom Begriff der Angelegenheit ist der Begriff des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit zu unterscheiden. Von einer Angelegenheit können mehrere Gegenstände und Rechtsverhältnisse, die Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit sind, umfasst sein.