Rz. 92

Grundsätzlich führt die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft zu einer hohen Sicherheit des Nacherben. Dennoch ist der Vorerbe bei der Verwaltung des Nachlasses grundsätzlich frei. Er hat zwar für eine ordnungsgemäße Verwaltung zu sorgen, haftet jedoch nur für eigenübliche Sorgfalt, § 2131 BGB. Außerdem tritt die Haftung erst mit Eintritt des Nacherbfalles ein, § 2130 BGB.[143] Auch ist der Vorerbe gemäß § 2134 BGB berechtigt, Erbschaftsgegenstände eigennützig für sich zu verwenden. Auch hier ist er zum Ersatz des Wertes erst nach Eintritt des Nacherbfalls verpflichtet. Dadurch wird der Anspruch auf Herausgabe des Nachlasses für den Nacherben gefährdet.

 

Rz. 93

Das Recht zur eigennützigen Verwendung birgt beim nach § 2136 BGB befreiten Vorerben ein weiteres Risiko, obwohl auch dieser zu Schenkungen nicht berechtigt ist. Hier wird ausnahmsweise eine Verfügung auch dann nicht als unentgeltlich angesehen, wenn die Gegenleistung dem Vorerben ausschließlich persönlich zufließt. Aufgrund des Rechtes zum Eigenverbrauch sei eine Beeinträchtigung des Nacherben ausgeschlossen.[144] Die objektiv unentgeltliche Verfügung des befreiten Vorerben ist dann dennoch wirksam.

 

Rz. 94

Daher stehen dem Nacherben weitere Kontroll- und Sicherungsrechte zur Verfügung. Besteht Grund zu der Annahme, dass durch die Verwaltung des Vorerben die Rechte des Nacherben erheblich verletzt werden, kann der Nacherbe von dem Vorerben Auskunft über den Bestand der Erbschaft gemäß § 2127 BGB verlangen. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass bereits eine Rechtsverletzung des Nacherben nachgewiesen ist. Es muss jedoch ein Verhalten des Vorerben vorliegen, das die Besorgnis einer Rechtsverletzung rechtfertigt, wie beispielsweise die Unwirtschaftlichkeit der Verwaltung des eigenen Vermögens oder ungünstige Vermögensanlagen.[145] Wird durch das Verhalten des Vorerben die Besorgnis einer erheblichen Rechtsverletzung des Nacherben begründet, so kann der Nacherbe gemäß § 2128 BGB eine Sicherheitsleistung vom Vorerben verlangen. Wird die Sicherheit nicht innerhalb einer zu setzenden Frist gestellt, kann die Zwangsverwaltung der Vorerbschaft gemäß §§ 2129, 1052 BGB angeordnet werden. Dann hat ein Zwangsverwalter dafür Sorge zu tragen, dass die Rechte des Nacherben nicht beeinträchtigt werden.

 

Rz. 95

Verfügt der Vorerbe dagegen nicht über ein Grundstück und liegt auch keine unentgeltliche Verfügung vor, ist der Nacherbe nur durch § 2111 BGB, der eine Surrogation der erhaltenen Gegenleistung vorschreibt, und auf Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 2131, 2139 BGB, die auf eine nicht ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses gestützt werden, geschützt.[146] Dieser "Schutz" bewirkt jedoch keine dingliche Sicherung, was den Erhalt bestimmter Vermögenswerte in der Familie unterlaufen kann.

[143] Nieder/Kössinger/Kössinger/Zintl, § 10 Rn 26.
[144] Palandt/Weidlich, § 2113 Rn 11; MüKo/Lieder, § 2113 Rn 49.
[145] Palandt/Weidlich, § 2127 Rn 2.
[146] Nieder/Kössinger/Kössinger/Zintl, § 10 Rn 19.

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