Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 21
Der Vollmachtgeber muss im Zeitpunkt der Abfassung der Vollmacht geschäftsfähig sein. Geschäftsfähigkeit erfordert die Einsichtsfähigkeit sowie die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, mithin die grundsätzliche Bedeutung des Erklärten verstanden und bewertet werden kann; sie ist nicht mit einem freien Willen gleichzusetzen. Die Frage, ob der Vollmachtgeber bei Erteilung der Vollmacht geschäftsfähig war, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Eine erteilte Vollmacht gilt so lange als wirksam erteilte Vollmacht, solange nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig war.
Rz. 22
Allein aufgrund des Vorliegens der in § 1814 Abs. 1 BGB (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) genannten Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers kann nicht geschlossen werden, dass hiermit eine Geschäftsunfähigkeit einhergeht. Eine Geschäftsunfähigkeit ist gem. § 104 Nr. 2 BGB nur dann gegeben, wenn eine dauerhafte krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorliegt, die geeignet ist, die freie Willensbestimmung auszuschließen. In problematischen Fällen wäre im Rahmen der Beratung darüber nachzudenken, ob der Vollmachtgeber auch ein neurologisches Attest vorlegt, auf das in der Urkunde Bezug genommen wird, welches die Geschäfts- und Testierfähigkeit bescheinigt.
Mangels Formerfordernisses nicht erforderlich – aber im Hinblick auf zukünftigen Streit um die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers sinnvoll – ist das Mitunterzeichnen der Vollmacht durch einen Zeugen bzw. die notarielle Beurkundung oder Beglaubigung.
Rz. 23
Im Hinblick auf eine notarielle Beurkundung ist aber Folgendes zu beachten: Gemäß § 11 BeurkG ist der Notar verpflichtet, die Geschäftsfähigkeit zu prüfen und bei fehlender Geschäftsfähigkeit die Beurkundung abzulehnen bzw. bei Zweifeln dies in der Niederschrift möglichst ausführlich zu vermerken. Bedenken muss ein Notar nachgehen. Die Feststellung zur Geschäftsfähigkeit trifft der Notar jedoch nicht als Sachverständiger, sondern lediglich als "Zeuge des Geschehens". Dies steht in einem späteren Streit über die Geschäftsfähigkeit als Beweismittel zur Verfügung. Die rechtliche Schlussfolgerung, die der Notar aus der Wahrnehmung zur Geschäftsfähigkeit zieht, ist nicht Teil der Beweiskraft der öffentlichen Urkunde nach § 418 ZPO, ist aber im Prozess bzw. im Erbscheinsverfahren gem. § 286 ZPO bzw. §§ 26, 30 FamFG zu würdigen. Die niedergeschriebenen Wahrnehmungen des Notars nehmen zwar an der Beweiskraft teil, nicht jedoch seine rechtlichen Schlussfolgerungen. Diese haben jedoch eine wichtige indizielle Bedeutung. Diese Beurteilung obliegt somit vielmehr dem entscheidenden Gericht. Dabei ist die Feststellung des Notars nur ein Indiz und reicht für sich allein nicht aus, um aufgrund konkreter Umstände begründete Zweifel zu entkräften. Auch das Grundbuchamt ist nicht an die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit durch den Notar gebunden. Im Zweifel kann hier nach § 18 GBO im Wege einer Zwischenverfügung die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens verlangt werden.
Rz. 24
Bei einer Unterschriftsbeglaubigung hat der Notar gemäß § 40 Abs. 2 BeurkG nur zu prüfen, ob Gründe zur Versagung seiner Amtstätigkeit vorliegen. Nur wenn er dabei von der mangelnden Geschäftsfähigkeit überzeugt ist, hat er die Beglaubigung zu versagen. Bei Zweifeln muss der Notar im Beglaubigungsvermerk nicht darauf hinweisen, er kann dies aber tun. Sollte der Notar jedoch die Urkunde selbst entworfen haben, hat er die Geschäftsfähigkeit entsprechend wie bei Beurkundung einer Willenserklärung zu prüfen.