Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 6
Der Gläubiger kann sich unter Vorlage einer Ausfertigung des vollstreckbaren Titels vom zuständigen Nachlassgericht gem. § 357 Abs. 2 FamFG eine Ausfertigung eines bereits erteilten Erbscheins erteilen lassen.
Ist ein Erbschein noch nicht erteilt, kann der Gläubiger – wenn er bereits im Besitz eines vollstreckbaren Titels ist – anstelle der Erben des Schuldners gem. §§ 792, 896 ZPO die Erteilung eines Erbscheins verlangen. Er hat ein inhaltsgleiches Antragsrecht wie die Erben des Schuldners. Hierzu muss er auch die nach § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG erforderliche eidesstattliche Versicherung abgeben. Dies gilt auch für das Finanzamt als Gläubiger einer Steuerschuld.
Rz. 7
Handelt es sich beim Gläubiger um eine juristische Person, so ist die eidesstattliche Versicherung vom gesetzlichen Vertreter abzugeben, eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung ist im Grundsatz nicht zulässig. Auch im Fall der Beantragung eines Erbscheins durch den Gläubiger gem. § 792 ZPO handelt es sich bei dem Formerfordernis gem. § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG um ein solches, das regelmäßig einzuhalten ist.
Rz. 8
Gleichwohl kann es im Einzelfall geboten sein, gem. § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG dem Gläubiger die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung zu erlassen, wenn sie nicht erforderlich ist. Die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung dient der Glaubhaftmachung der im Antrag angegebenen Umstände. Der in zulässiger Weise gestellte Antrag löst die Pflicht des Nachlassgerichts gem. § 26 FamFG zur umfassenden Ermittlung von Amts wegen aus. Das Nachlassgericht hat dann den Erbschein gem. § 352e Abs. 1 S. 1 FamFG zu erteilen, wenn es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Weil man von einem Gläubiger – anders als von einem Erben – nicht erwarten kann, dass ihm alle für das Erbrecht des Erben maßgeblichen Umstände aufgrund der familiären Verhältnisse bekannt sind, kommt der Amtsermittlungsverpflichtung im Falle der Beantragung eines Erbscheins durch den Gläubiger gem. § 792 ZPO besondere Bedeutung zu. Die Anforderungen an die Angaben des Gläubigers dürfen damit nicht überspannt werden.
Rz. 9
Steht aufgrund der nicht in Zweifel zu ziehenden Angaben des Gläubigers fest, dass deren vertretungsberechtigte Organe keinerlei Kenntnisse von den das Erbrecht auslösenden bzw. beeinflussenden Umständen haben, erschiene das Bestehen auf der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung gem. § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG als bloße Förmelei. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sich die eidesstattliche Versicherung des Gläubigers allein auf seine Kenntnis und sein Wissen, nicht aber auf ein gegebenenfalls noch in Kenntnis zu bringendes Wissen des Erben bezieht. Die eidesstattliche Versicherung gem. § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG ist lediglich darauf gerichtet, dass dem Gläubiger nichts bekannt sei, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegenstünde. Bietet zudem der maßgeblich mit der Sache befasste rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mit dem Inhalt des § 352 Abs. 3 S. 2 FamFG an, so ist die Ermessensentscheidung des § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG dahingehend auszuüben, dass jedenfalls die eidesstattliche Versicherung durch den Gläubiger erlassen werden muss.
Rz. 10
Die verfahrensrechtlichen Rechte der Erben werden gewahrt, weil das Nachlassgericht nach § 26 FamFG von Amts wegen zu ermitteln und dabei auch nach Art. 103 GG rechtliches Gehör zu gewähren hat. Ein Gläubiger hat im Erbscheinsverfahren seine Rechtsstellung nachzuweisen; eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels muss er dabei nicht vorlegen.
Rz. 11
Im Erbschein wird aber nur der endgültige Erbe aufgeführt, für den die Ausschlagungsfrist bereits verstrichen ist. Hat der Gläubiger Grund zu der Annahme, die Erben könnten vom Erbfall noch keine Kenntnis erlangt haben, so ist ihm anzuraten, die Erben vom Erbfall und von ihrer Berufung zu Erben in Kenntnis zu setzen, damit die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB in Gang gesetzt wird. Sicherheitshalber kann diese Mitteilung durch den Gerichtsvollzieher zugestellt werden, um den Vorteil der Zugangsfiktion des § 132 BGB zu erreichen. Auf Antrag eines Nachlassgläubigers hat das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Erbschaft entweder noch nicht angenommen oder der Erbe unbekannt oder ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, § 1961 BGB. Dies korrespondiert mit der Vorschrift des § 1958 BGB, wonach vor der Annahme der Erbschaft eine Klage gegen den Erben als unzulässig abzuweisen wäre. Die Klagepflegschaft dient dazu, diesen Zeitraum für einen Gläubiger, der seinen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will, zu überbrücken. Dass ein Bedürfnis der Nachlasssicherung besteht, ist, anders als bei § 1960 Abs. 1 BGB, nicht Voraussetzung; an die Stelle des Fürsorgebedürfnisses tritt ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, das sich grundsätzlich bereits aus der Tatsache ergibt, dass er einen Anspruch gegen den Nachlass gelten...