Dr. iur. Olaf Schermann, Walter Krug
Rz. 336
Der Grund für die Ausnahme in § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB (Haftung des Erbteils) wird erst klar, wenn man sich vor Augen führt, welche Rechte ein Nachlassgläubiger mit einem gepfändeten Erbteil ausüben kann:
1. |
Er kann den Erbteil veräußern oder versteigern, §§ 857 Abs. 5, 844 ZPO. Diese Möglichkeit dürfte aber für den Nachlassgläubiger kaum praktische Bedeutung haben. Er kann bequemer mit einem Titel gegen alle Miterben nach § 747 ZPO in einzelne Gegenstände des Nachlasses vollstrecken. |
2. |
Der Nachlassgläubiger kann sich den Erbteil nach § 835 Abs. 1 ZPO überweisen lassen. Die Überweisung kann nicht an Zahlungs statt erfolgen, weil der Miterbenanteil keinen auf die Forderung des Gläubigers anrechenbaren Nennwert aufweist, wie es § 835 Abs. 1 ZPO voraussetzt. Es kommt also nur eine Überweisung zur Einziehung in Betracht. Damit bedarf die dingliche Übereignung aller Nachlassgegenstände anlässlich der Auseinandersetzung und auch die Übereignung eines einzelnen Nachlassgegenstandes der Zustimmung des Pfandgläubigers. Darin liegt ein relatives Veräußerungsverbot nach § 135 BGB. Eintragbarkeit der Erbteilspfändung im Grundbuch: Weil die Erbteilspfändung zu einem relativen Veräußerungsverbot führt, kann sie in die Abteilung II des Grundbuchs eingetragen werden; der Pfandgläubiger kann die Voreintragung des Miterben nach § 895 BGB erzwingen. Das Pfändungspfandrecht am Erbteil sichert den Gläubiger also durch ein relatives Veräußerungsverbot betreffend die einzelnen Nachlassgegenstände; durch die Eintragung im Grundbuch kann der Nachlassgläubiger den gutgläubigen Erwerb von Immobilien des Nachlasses ausschließen. |
3. |
Mit Erwerb des Pfändungspfandrechts kann der Pfändungsgläubiger anstelle des Miterben die Auseinandersetzung des Nachlasses nach §§ 2042 ff. BGB betreiben. Das Pfandrecht setzt sich dann am Auseinandersetzungsguthaben fort bzw. an den auf den Schuldner-Miterben entfallenden Nachlassgegenständen, die dann nicht an den Miterben, sondern an den Pfandgläubiger herauszugeben sind. Deshalb ist im Hinblick auf § 847 ZPO schon bei der Pfändung anzuordnen, dass die bei der Auseinandersetzung dem Schuldner-Miterben zustehenden beweglichen Sachen nicht an diesen, sondern an den Gerichtsvollzieher herauszugeben sind. Bei einem Grundstück kann nicht der Schuldner-Miterbe, sondern der Pfandgläubiger die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft nach §§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 180 ZVG betreiben. |
4. |
Verfahren bei der Pfändung: Alle Miterben sind im Pfändungsantrag zu nennen, weil sie Drittschuldner i.S.v. §§ 857 Abs. 1, 829 ZPO sind, denen der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zuzustellen ist. |
Rz. 337
Ist ein Testamentsvollstrecker vorhanden, ist dieser als Drittschuldner anzusehen und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ihm zuzustellen.
Zusammenfassend zeigt sich: Die Haftung des Erbteils für die Nachlassschulden kann die dem Nachlassgläubiger haftende Vermögensmasse zwar nicht vergrößern, wohl aber gemäß § 804 Abs. 1 ZPO doppelt sichern, nämlich durch ein relatives Veräußerungsverbot nach §§ 1276, 135 BGB und durch die Mitwirkungsrechte des Pfändungspfandgläubigers bei der Verwaltung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gemäß §§ 1273 Abs. 2 S. 1, 1258 BGB.
Rz. 338
Damit zeigt sich, warum der Miterbe den Nachlassgläubigern mit dem Erbteil haftet: Der Schutz der Nachlassgläubiger bei der Haftungsbeschränkung des § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB kann im Einzelfall unsicherer sein als bei der allgemeinen Haftungsbeschränkung durch eines der (früher) drei, jetzt zwei Nachlassverfahren. § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB schützt den Nachlassgläubiger dadurch, dass der einzelne Miterbe über einen Nachlassgegenstand zum Nachteil der Nachlassgläubiger nicht verfügen kann, § 2040 Abs. 1 BGB. Alle Miterben gemeinschaftlich sind dazu aber in der Lage. Wenn der Nachlassgläubiger das befürchtet, so kann er sich an einen Erbteil halten, dadurch seine Rechte am Nachlass sichern und ungünstige Verfügungen verhindern.
Dieses Schutzes bedarf der Nachlassgläubiger nicht mehr, wenn er durch die Eröffnung eines Nachlassverwaltungsverfahrens einen besseren Schutz erhält; deshalb endet dann die Haftung des Erbteils. Entsprechend ist es im Falle der Dürftigkeitseinrede und bei Ausschließung oder Verschweigung eines Nachlassgläubigers.