Rz. 65
Vorerwerbsrechte räumen einem Partner das Recht ein, den Joint Venture-Anteil des anderen Partners zu übernehmen, falls dieser die Absicht hat, diesen Anteil auf einen Dritten zu übertragen. Der klassische und in den §§ 463 ff. BGB (dispositiv) geregelte Fall ist die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts. Übt der Begünstigte ein Vorkaufsrecht aus, kommt zwischen ihm und dem verkaufswilligen Partner ein Kaufvertrag zu denjenigen Bedingungen zustande, die dieser zuvor mit einem dritten Käufer ausgehandelt hat. Sinnvoller ist häufig eine Andienungspflicht des ausscheidenden Partners, bei welcher der Joint Venture-Anteil erst dem verbleibenden Partner zum Verkauf anzubieten ist, bevor mit Dritten Verhandlungen geführt werden dürfen. Übt der verbleibende Partner das Andienungsrecht nicht aus, darf der veräußerungswillige Partner (nur) zu gleichen oder für den Käufer ungünstigeren Konditionen an einen Dritten verkaufen. Der ausscheidende Partner wird es unter diesen Bedingungen leichter finden, einen Käufer für seine Beteiligung zu finden – bei einem Vorkaufsrecht können die Interessenten ja nicht ausschließen, trotz erfolgreich abgeschlossener Verhandlungen nicht zum Zuge zu kommen. Und der verbleibende Partner profitiert davon, dass er bei einer Andienungspflicht Einfluss auf die Vertragskonditionen nehmen kann, zu denen er den Anteil des ausscheidenden Partners erwirbt, falls er dies wünscht.
Rz. 66
Die Wirkung von Vorerwerbsrechten hängt wesentlich davon ab, in welcher Form sie mit der Vinkulierung der Joint Venture-Anteile verknüpft sind. So kann man regeln, dass die Übertragung der Anteile an einen Dritten auch dann der Zustimmung des verbleibenden Partners bedarf, wenn dieser von seinem Vorerwerbsrecht keinen Gebrauch macht. Die Verhandlungsposition des verbleibenden Partners ist dann so stark, dass die ursprüngliche Ausgestaltung des Vorerwerbsrechts keine wesentliche Rolle spielt.
Alternativ kann vorgesehen sein, dass die Vinkulierung aufgehoben ist, sofern der veräußerungswillige Partner das Prozedere des Vorerwerbsrechts einhält. Der verbleibende Partner kann dann (außer durch eigenen Erwerb der Anteile) nicht mehr sicherstellen, dass ihm kein neuer Partner gegen seinen Willen aufgezwungen wird, wodurch wiederum die Verhandlungsposition des ausscheidenden Partners gestärkt wird.
Hinweis
Vorerwerbsrechte werden typischerweise (auch) im Gesellschaftsvertrag des Joint Ventures vereinbart, damit sie für und gegen Dritte wirken. Um diese dingliche Wirkung klarzustellen, ist zu formulieren: "(...) kann ein Partner Anteile erst übertragen, nachdem er sie zuvor erfolglos den übrigen Gesellschaftern zum Kauf angeboten hat (...)" anstatt "(...) darf ein Partner Anteile (...)". Ist der Gesellschaftsvertrag publizitätspflichtig und erlaubt das Vorerwerbsrecht Rückschlüsse auf die Bewertung des Joint Ventures durch die Partner oder enthält es andere vertrauliche Informationen, wird es üblicherweise nur im Joint Venture-Vertrag vereinbart. Die Vinkulierung der Anteile gehört in jedem Fall (auch) in den Gesellschaftsvertrag.