Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
Rz. 4
Die internationale Zuständigkeit ist von § 48 ArbGG nicht erfasst. Sie ist stets und in allen Instanzen von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung. Will das angerufene Gericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit vorab bindend feststellen, hat es im Wege eines Zwischenurteils gemäß § 280 ZPO, nicht aber durch Beschluss nach § 17a GVG zu entscheiden. Ob die deutschen Arbeitsgerichte international zuständig sind, richtet sich primär nach den entsprechenden Vorschriften in den Verfahrensgesetzen und in internationalen Abkommen sowie nach europarechtlichen Vorschriften. Hier ist insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) von Bedeutung.
Im Rahmen der EuGVVO sind wiederum der Erwägungsgrund Nr. 18 sowie die Art. 20–23 von besonderer Bedeutung. Nach Art. 20 ist für die Anwendbarkeit der EuGVVO vorausgesetzt, dass ein "individueller Arbeitsvertrag" oder Ansprüche aus einem solchen Gegenstand des Verfahrens sind. Dabei ist der Begriff des "individuellen Arbeitsvertrages" nicht nach nationalen Kriterien zu bestimmen, sondern unter Berücksichtigung von Art. 45 AEUV autonom auszulegen. Danach ist ein "individueller Arbeitsvertrag" eine Vereinbarung, mittels derer sich eine Person verpflichtet, während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen zu erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Wie auch im nationalen Recht sind wirksame Zuständigkeitsvereinbarungen im Rahmen der internationalen Zuständigkeit zu berücksichtigen. Die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen richtet sich nach Art. 23 EuGVVO. Dieser bestimmt, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nur dann wirksam ist, wenn sie entweder nach Entstehen der Streitigkeit getroffen wird oder – im Fall, dass diese vor Entstehung der Streitigkeit geschlossen wurde – für den Arbeitnehmer nicht den Ausschluss der in der EuGVVO vorgesehenen Gerichtsstände bewirkt, sondern die Befugnis begründet oder erweitert, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen.
Für die Arbeitnehmerentsendung ist in § 15 S. 1 AEntG bestimmt, dass ein nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer eine Klage auf Erfüllung der Verpflichtungen nach §§ 2, 8, 13b und 14 AEntG für die Entsendezeit auch vor einem deutschen Arbeitsgericht erheben kann. Ob und inwieweit ein Ausländer deutscher Gerichtsbarkeit unterliegt, ist in §§ 18–20 GVG geregelt. Nach § 20 Abs. 2 GVG erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf zwischenstaatliche Organisationen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Eine danach gegebene Immunität stellt ein Verfahrenshindernis dar. Sie führt zur Abweisung der Klage als unzulässig.
Rz. 5
Die Immunität hat ihre völkerrechtliche Kodifizierung im Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen erfahren. Das Übereinkommen wird ergänzt durch ein Fakultativprotokoll über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten. Beide Übereinkommen sind von der Bundesrepublik ratifiziert. Die BRD kann im Arbeitsrecht in internationalen Verträgen die deutsche Gerichtsbarkeit vertraglich ausschließen. Nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit waren die bei den Stationierungskräften beschäftigten Arbeitnehmer. Anders ist es dagegen bei dem zivilen Gefolge der Truppen. Ausländische Staaten unterliegen in sog. Bestandsschutzstreitigkeiten mit an ihren diplomatischen Vertretungen in Deutschland nach privatem Recht beschäftigten Ortskräften, soweit diese keine hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen haben, der deutschen Gerichtsbarkeit. Dies gilt auch und insbesondere für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Denn nach § 20 Abs. 2 GVG sind Staaten nur insoweit nicht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten unterworfen wie ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist, denn nur insoweit ist es mit völkerrechtlichen Prinzipien nicht vereinbar, dass ein Staat das hoheitliche Handeln anderer Staaten überprüft. Maßgebend für die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit ist die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt demnach darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist. So ist z.B. die Tätigkeit eines Lehrers an einer allgemeinbildenden staatlichen oder staatlich anerkannten Schule nicht i.S.v. § 20 Abs. 2 GVG hoheitlich geprägt und unterliegt damit der deutschen Gerichtsbarkeit. Der deutschen Gerichtsbarkeit hingegen sind nicht unterworfen die arbeitsrechtlichen Bestandsstreitigkeiten mit Konsulatsangestellten, die nach dem Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses originär konsularische bzw. hoheit...