Rz. 25
Lebensversicherungen sind gerade im Erbrecht von besonderer Bedeutung, da der Tod des Versicherungsnehmers im Regelfall auch zum Eintritt des Versicherungsfalles mit der Folge führt, dass die Lebensversicherungssumme fällig wird.
Lebensversicherungen gibt es in unterschiedlichen Gestaltungen; in vielen Fällen handelt es sich um eine Todesfallversicherung, bei der die Versicherungsleistung nur bei Ableben der versicherten Person fällig wird. Weit verbreitet ist auch eine Todes- und Erlebensfallversicherung, auch "gemischte Versicherung" genannt. Hierbei handelt es sich um einen Versicherungsvertrag mit unbedingter Leistungspflicht bei Ableben der versicherten Person, spätestens bei Ablauf der vereinbarten Versicherungsdauer. Für die Feststellung der Leistungspflicht ist es unbedingt erforderlich, sich mit dem Versicherungsschein und den diesem Versicherungsschein zugrunde liegenden AVB (ALB) vertraut zu machen.
1. Obliegenheiten
Rz. 26
Gemäß § 30 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalles, also den Tod der versicherten Person, unverzüglich nach Kenntniserlangung dem Versicherer mitzuteilen. Bei ungewöhnlichen Todesumständen muss dem Versicherer die Möglichkeit gegeben werden, durch eine Obduktion die näheren Umstände des Todes zu klären, insbesondere dann, wenn der Verdacht auf Selbsttötung besteht, oder wenn zu klären ist, ob möglicherweise ein Unfalltod vorliegt, der in vielen Fällen zur Verdoppelung der Versicherungsleistung führen kann.
2. Bezugsberechtigte
Rz. 27
In den meisten Fällen hat der Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag bestimmt, welche dritte Person die Begünstigte, also zum Empfang der Versicherungsleistung berechtigt ist. Der Begünstigte erwirbt einen unmittelbaren Leistungsanspruch gegen den Versicherer. Die Versicherungssumme fällt nicht in den Nachlass und bleibt somit dem Zugriff der Erben oder eines Nachlassgläubigers entzogen.
In vielen Versicherungsverträgen sind Versicherungsnehmer und versicherte Person ("Gefahrsperson") nicht identisch.
Gerade bei der Finanzierung von Immobilien kommt es häufig vor, dass ein Versicherungsnehmer eines seiner Kinder als Risikoperson in den Vertrag aufnimmt, da der Tod einer jüngeren Person unwahrscheinlicher ist, so dass auch die Versicherungsprämien entsprechend niedriger sind. In derartigen Fällen hat der Tod des Versicherungsnehmers keinen Einfluss auf den Fortbestand des Versicherungsvertrages.
a) Unwiderrufliche Bezugsberechtigung
Rz. 28
Wenn im Versicherungsvertrag bestimmt ist, dass der Dritte unwiderruflich bezugsberechtigt ist, können weder der Versicherungsnehmer noch die Erben diese Bezugsberechtigung ohne Zustimmung des unwiderruflich Berechtigten ändern. Die Auszahlung der Versicherungssumme an den unwiderruflich Bezugsberechtigten kann daher nicht verhindert werden, sie fällt auch nicht in den Nachlass und ist auch bei der Wertbemessung des Nachlasses nicht zu berücksichtigen.
b) Widerrufliche Bezugsberechtigung
Rz. 29
Ganz anders liegt der Fall bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung. Ebenso wie ein Testamentserbe hat der Berechtigte nur eine unsichere Position, die jederzeit vom Versicherungsnehmer und möglicherweise auch später von seinen Erben noch geändert werden kann.
Die Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechtes ist eine Schenkung auf den Todesfall.
Rz. 30
Dieses Schenkungsversprechen gemäß § 518 Abs. 1 BGB wird in Ermangelung einer notariellen Beurkundung erst durch den Vollzug der Schenkung wirksam (§ 518 Abs. 2 BGB). Es kann daher zu einem "Wettlauf" zwischen den Bezugsberechtigten und der Erbengemeinschaft kommen: Ebenso wie der Erblasser kann die Erbengemeinschaft die Bezugsberechtigung des widerruflich Begünstigten widerrufen, bevor der Versicherer seine Leistung erbracht hat.
Hinweis
Befindet sich im Nachlass eine Lebensversicherung mit einer widerruflichen Bezugsberechtigung, sollten die Erben in jedem Fall diese Bezugsberechtigung widerrufen.
Diese Widerrufserklärung geht allerdings ins Leere, wenn der Versicherer bereits seine Leistung erbracht hat.
Rz. 31
Die Einsetzung eines Begünstigten beinhaltet regelmäßig den konkludenten Auftrag an den Versicherer, dem Dritten nach Eintritt des Versicherungsfalles das Zuwendungsangebot des Versicherungsnehmers zu überbringen.
Rz. 32
Auch bei der Einsetzung einer Begünstigung ist zu unterscheiden zwischen dem Deckungsverhältnis (Begünstigung) und dem Valutaverhältnis, also dem Rechtsgrund, aufgrund dessen die Begünstigung erfolgt ist. Nur das Valutaverhältnis entscheidet darüber, ob der Bezugsberechtigte die Versicherungsleistung behalten darf. § 2301 BGB findet keine Anwendung.
Wenn daher der Rechtsgrund für die Einräumung der Bezugsberechtigung weggefallen ist, können die Erben die Versicherungsleistung auch vom Bezugsberechtigten zurückverlangen.