Rz. 31

§ 2 Nr. 4 b) ABU/ABN schließt die Deckung normaler Witterungseinflüsse, die zur Zerstörung oder Beschädigung von Bauleistungen führen, aus. Für die Bestimmung der normalen Witterungseinflüsse wird auf die Jahreszeit und die örtlichen Verhältnisse abgestellt. Mit Regen während des ganzen Jahres und mit Schnee und Hagel im Winter muss in Deutschland gerechnet werden.[130] Damit sind Bauvorgänge, die Trockenheit benötigen, wie Betonierungs- und Estricharbeiten, gefährdet. Wetterauskünfte, die Regenfälle ausschließen, begründen bei gleichwohl einsetzendem Regen und Beschädigungen von Bauleistungen keinen Nachweis für nicht normale Witterungseinflüsse, da unrichtige Wettervoraussagen die Begründung einer Deckungspflicht der Bauwesenversicherung nicht herbeiführen können.[131] Der objektive Risikoausschluss von Witterungseinflüssen greift nicht ein, wenn außergewöhnlich starke Regenfälle vorgelegen haben, was sich nur durch statistische Aufzeichnungen nachweisen lässt.[132] Sollte allerdings die Niederschlagsmenge ein solches Ausmaß erreicht haben, dass von höherer Gewalt auszugehen ist, hätte dies zur Folge, dass der Versicherer nicht einzustehen hat, weil der Unternehmer für höhere Gewalt nach § 7 VOB/B nicht haftet, damit ein Versicherungsschutz nicht notwendig ist.[133] Zur Feststellung des Vorliegens höherer Gewalt ist ein meteorologisches Gutachten erforderlich. Stellt sich dabei heraus, dass vergleichbare Niederschläge schon in den vergangenen Jahren wiederholt aufgetreten sind, liegt keine höhere Gewalt vor.[134] Bei einer Üblichkeit vergleichbarer Niederschläge in den vergangenen Jahren konnte der Unternehmer mit einem wiederholten Auftreten von Niederschlägen rechnen und sich darauf einstellen.[135] Die Regelung des Ausschlusses von Witterungseinflüssen in der Bauwesenversicherung unterscheidet damit zwischen drei Stufen der Intensität dieser Einwirkungen: bei Regenfällen normaler Intensität besteht kein Deckungsschutz; bei Starkregenfällen, die nicht den Intensitätsgrad höherer Gewalt erreichen, ist der Versicherer deckungspflichtig, bei einem Regen mit der Intensität höherer Gewalt und der üblichen Vereinbarung der VOB/B ist der Unternehmer ohnehin haftungsfrei, so dass ein Bedürfnis für Versicherungsschutz nicht mehr besteht.[136]

Weitere zur Zerstörung oder Beschädigung von Bauleistungen führende Witterungseinflüsse sind Sturm und Hagel. Eigenständige Begriffsbestimmungen für das Vorliegen eines deckungsauslösenden Sturms oder von Hagel enthalten die Bedingungswerke zur Bauwesenversicherung nicht. Die Übernahme der in der Gebäudeversicherung enthaltenen Definitionen bietet sich an. Die in § 4 Ziff. 2 VGB enthaltene Definition des Sturms als wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8, die einer Windgeschwindigkeit von mindestens 62 km/h entspricht, umschreibt stürmischen Wind, der Zweige von Bäumen bricht und das Gehen im Freien erheblich erschwert. Das stellt keinen normalen Witterungseinfluss dar, so dass Versicherungsschutz eingreift.[137] Für den Nachweis eines Sturmschadens ist es nicht erforderlich, dass der Beweis für ein direktes Auftreffen einer Luftbewegung auf das Bauwerk erbracht wird. Vielmehr genügt es, dass in näherer Umgebung ein Sturm mit entsprechender Windbewegung nachgewiesen wird.[138] Der Nachweis kann durch die Einholung einer behördlichen Auskunft des für den Ort des Bauwerks zuständigen Wetteramtes erbracht werden. Die dadurch verursachten Kosten sind als Schadensermittlungskosten von dem Versicherer zu erstatten.[139]

Hagel ist nach der Definition in § 4 Ziff. 2 b) VGB 2010 Witterungsniederschlag in Form von Eiskörnern. Erreicht der Hagelschlag eine solche Stärke, dass er Bauleistungen beschädigt oder zerstört, liegen außergewöhnliche Witterungsverhältnisse vor, die eine Deckungspflicht in der Bauwesenversicherung begründen.[140]

Die Bestimmung des § 2 Nr. 4, Hs. 2 ABU/ABN, wonach eine Entschädigung trotz Vorliegens eines zur Beschädigung oder Zerstörung der Bauleistung führenden Witterungseinflusses zu leisten ist, betrifft die Konstellation, dass zunächst ein gedeckter Versicherungsfall in der Bauwesenversicherung vorlag, dem ein schädigender Witterungseinfluss folgte. Wurde etwa ein bereits gedecktes Dach durch Dritte beschädigt und führt "Normalregen" zu einem Eindringen von Wasser in den Baukörper, so dass die Bauleistung beschädigt wurde, greift der Versicherungsschutz ein.[141]

[130] Vgl. OLG Schleswig r+s 2012, 84 (85).
[131] Johannsen in Bruck/Möller § 2 ABU Rn 19.
[133] Zum Haftungsausschluss bei höherer Gewalt vgl. § 7 Nr. 1 VOB/B.
[134] Maßgeblich sind die Höchstwerte der letzten zehn Jahre; vgl. Platen Rn 3.2. 5.3 Höhere Gewalt bei Überschreitung dieser Werte BGH VersR 1973, 143.
[135] Vgl. Fn 134.
[137] Johannsen in Bruck/Möller § 2 ABU Rn 20.
[138] OLG Karlsruhe zfs 2005, 499.
[139] Vgl. § 85 VVG
[140] Johannsen in Bruck/Möller § 2 ABU Rn 20.
[141] Johannsen in Bruck/Möller § 2 ABU Rn 21.

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