Rz. 141
Zur besseren Veranschaulichung sollen noch zwei weitere Beispielsfälle betrachtet werden.
Rz. 142
Beispielsfall 2
Erblasser E hat ein Testament hinterlassen, wonach A zum Alleinerben eingesetzt wurde; die Kinder K1 und K2 sind enterbt und deshalb lediglich pflichtteilsberechtigt. A lässt sich im Wege der Grundbuchberichtigung als Alleineigentümer des Grundbesitzes des Erblassers im Grundbuch eintragen. Danach erfahren K1 und K2 von Umständen über den Gesundheitszustand des Erblassers, die nach ihrer Meinung den Schluss zulassen, der Erblasser sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen und sie seien deshalb gesetzliche Erben geworden. Sie wollen ihre – zumindest vermeintliche – Rechtsposition als rechtmäßige Grundstückseigentümer so schnell wie möglich sichern lassen.
Rz. 143
Beispielsfall 3
Erblasser E setzt in seinem wirksam errichteten Testament A zum Alleinerben ein. A wird im Grundbuch als Alleineigentümer des Grundbesitzes des Erblassers eingetragen. Danach wird ein späteres Testament des E aufgefunden, dessen Inhalt äußerst unklar ist, woraus aber entnommen werden kann, das erste Testament sei widerrufen und B zum Alleinerben eingesetzt. Die Rechtslage ist in hohem Maße unklar. B möchte seine Rechte sichern lassen, bevor A über den Grundbesitz verfügt.
Rz. 144
Beiden Beispielsfällen ist gemeinsam, dass geltend gemacht wird, ein Rechtserwerb habe nicht stattgefunden, bezüglich der Eigentümerposition sei das Grundbuch unrichtig, ein Nichtberechtigter sei dort eingetragen.
Rz. 145
Im Beispielsfall 2 wird die Nichtigkeit des Testaments wegen Testierunfähigkeit des Erblassers geltend gemacht, § 2229 Abs. 4 BGB. Träfe dies zu, so wäre nicht A Alleinerbe des Erblassers geworden, vielmehr wären K1 und K2 je hälftig gesetzliche Erben, § 1924 BGB. A wäre zu Unrecht als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen, das Grundbuch wäre unrichtig, § 894 BGB; K1 und K2 könnten von A die Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB und die Herausgabe des Grundstücks nach §§ 985 ff. BGB verlangen.
Zur Frage der Testierfähigkeit wird auf die Ausführungen in § 7 Rdn 35 ff. verwiesen.
Ergeben sich im Erbenfeststellungsprozess Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers, so sind die entsprechenden Umstände aufzuklären, anderenfalls läge eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, Art. 103 GG.
Rz. 146
Im Beispielsfall 3 wird die Unwirksamkeit des Ersttestaments geltend gemacht, weil es entweder ausdrücklich (§ 2254 BGB) oder konkludent (§ 2258 BGB) widerrufen worden sei. Bei jeder Fallalternative wäre nicht A Alleinerbe geworden, sondern B. A wäre zu Unrecht als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen, B könnte an dessen Stelle seine Eintragung als Eigentümer im Wege der Grundbuchberichtigung verlangen, § 894 BGB.
Rz. 147
Anspruchsgrundlage für einen etwaigen Grundbuchberichtigungsanspruch ist in beiden Fällen § 894 BGB. Soweit auch die Herausgabe des Grundbesitzes in Betracht kommt, ist § 985 BGB Anspruchsgrundlage.
Rz. 148
In beiden Beispielsfällen brauchen sich die rechtmäßigen Erben nicht auf die Grundbuchberichtigung zu beschränken. In diesen Fällen ist die gesamte erbrechtliche Position betroffen. Die gesamte Erbfolge kann im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens geklärt werden, und zwar für den Fall, dass bisher kein Erbschein erteilt wurde, im Erbscheinserteilungsverfahren und für den Fall, dass ein (unrichtiger) Erbschein bereits vorhanden ist, im Erbscheinseinziehungs- und -neuerteilungsverfahren. Allerdings führt das Erbscheinsverfahren für sich allein noch nicht zu einer vorläufigen Sicherung der grundbuchrechtlichen Position. Mit evtl. dort vorliegenden Sachverständigengutachten, Zeugenvernehmungsprotokollen etc. kann eine Glaubhaftmachung (§§ 294, 936, 920 Abs. 2 ZPO) in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs (§ 899 BGB) erfolgen.
Möglich wäre aber auch, parallel eine Grundbuchberichtigungsklage zu erheben und ein Erbscheinsverfahren zu betreiben.