Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1132
Zu medizinischen Vorsorgeuntersuchungen aus Gründen des Arbeitsschutzes gehören allgemeine Vorsorgeuntersuchungen ohne Berücksichtigung spezieller Anforderungen des einzelnen Arbeitsplatzes, die i.d.R. freiwillig sind und auch keine Beschäftigungsbeschränkungen oder -verbote nach sich ziehen. Diese werden üblicherweise vom Betriebsarzt durchgeführt (§ 3 Abs. 1 ASiG).
Rz. 1133
Besondere, arbeitsplatzbezogene Vorsorgeuntersuchungen, zu deren Teilnahme der Arbeitnehmer verpflichtet ist, ergeben sich z.B. aus dem Seuchengesetz, der GefahrstoffVO, der BiostoffVO, der DruckluftVO, der StrahlenschutzVO, der Lärm- und Vibrations-ArbeitsschutzVO und einigen UVV, z.B. BGV A 4.
Rz. 1134
Diese besonderen Vorsorgeuntersuchungen sind Voraussetzungen für die Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an dem betrieblichen Arbeitsplatz. Die Untersuchungspflicht des Arbeitgebers ist verbunden mit einem Beschäftigungsverbot, was aber auch die Duldungspflicht des Arbeitnehmers nach sich zieht. Diese ist in § 176 StrlSchV für zahlreiche Fälle (z.B. §§ 64 ff., 77 f. StrlSchV) ausdrücklich normiert, in anderen Fällen folgt sie aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitnehmers. Verweigerte Untersuchungen können in beiden Fällen zur Kündigung berechtigen, falls kein geeigneter Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung steht (vgl. BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 811/11). Problematisch kann die Güterabwägung sein, wenn eine Untersuchung aus Glaubens- oder Gewissensgründen abgelehnt wird (vgl. BAG v. 24.02. 2011 - 2 AZR 636/09).
Rz. 1135
Schließlich hat der Arbeitgeber den potenziell gefährdeten Arbeitnehmern nach dem ArbSchG die Teilnahme an regelmäßigen Untersuchungen zu ermöglichen, was in den Ausführungsverordnungen zum ArbSchG für bestimmte Tätigkeiten nochmals konkretisiert wird.
Rz. 1136
Laut der "Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge" (ArbMedVV) wird zwischen Pflichtuntersuchungen, Angebotsuntersuchungen und Wunschuntersuchungen unterschieden. Die Verordnung präzisiert die Pflichten der ausführenden Ärzte sowie die an diese gestellten Anforderungen. Außerdem werden Tätigkeiten aufgelistet, welche erst nach einer vom Arbeitgeber veranlassten Durchführung einer Pflichtuntersuchung ausgeführt werden dürfen bzw. in welchen Tätigkeitsbereichen Angebotsuntersuchungen durchzuführen sind. Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Pflichtuntersuchung nicht oder nicht rechtzeitig veranlasst oder eine Tätigkeit ausüben lässt, ohne dass zuvor eine notwendige Pflichtuntersuchung durchgeführt wurde, handelt ordnungswidrig i.S.d. § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG.
Genetische Untersuchungen im Arbeitsleben sind in den §§ 19–22 des Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG) geregelt (vgl. hierzu ausführlich Wiese, BB 2011, 313 ff.; Fischinger, NZA 2010, 65). Das Gesetz legt strenge datenschutzrechtliche Regeln fest und intendiert damit einen möglichst umfassenden Schutz von höchstpersönlichen Arbeitnehmerdaten. So statuiert § 19 GenDG für den Arbeitgeber ein Verbot sowohl hinsichtlich der Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen als auch im Hinblick auf eine Forderung nach der Mitteilung von Ergebnissen oder Analysen von bereits vorgenommenen Untersuchungen. In § 20 GenDG sind besondere genetische Untersuchungen und Analysen zum Arbeitsschutz geregelt. I.R.d. arbeitsmedizinischen Vorsorge dürfen grds. weder genetische Untersuchungen oder Analysen vorgenommen werden noch die Mitteilung von Ergebnissen bereits vorgenommener genetischer Untersuchungen verlangt, solche Ergebnisse entgegengenommen oder verwendet werden. Im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sind aber nach § 20 Abs. 2 GenDG diagnostische genetische Untersuchungen durch Genproduktanalyse zulässig, soweit sie zur Feststellung genetischer Eigenschaften erforderlich sind, die für schwerwiegende Erkrankungen oder schwerwiegende gesundheitliche Störungen, die bei einer Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsplatz oder mit einer bestimmten Tätigkeit entstehen können, ursächlich oder mitursächlich sind. Als Bestandteil arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sind genetische Untersuchungen allerdings nachrangig zu anderen Maßnahmen des Arbeitsschutzes.