Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1274
Bei Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin und nach der Entbindung werden die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis durch die zwingenden Vorschriften des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (MuSchG) maßgeblich geregelt. Die Verpflichtungen nach dem MuSchG gebieten dem Arbeitgeber, für die im Gesetz definierte Zeit des Mutterschutzes den Arbeitsplatz "mutterschutzgerecht" zu gestalten, Beschäftigungsverbote zu beachten und zusätzliche Entgeltrisiken zu tragen. Darüber hinaus ist die Arbeitnehmerin in besonderer Weise vor Kündigungen (hierzu § 30 Rdn 1061 ff.) geschützt. Mit Wirkung zum 1.1.2018 hat der Gesetzgeber umfassende Änderungen vorgenommen, die den personellen Anwendungsbereich, den Kündigungsschutz, die Arbeitszeit, die Schutzfristen, sowie die Beschäftigungsverbote betreffen (BGBl I 2017, 1228).
Rz. 1275
In den Geltungsbereich des MuSchG fallen nicht nur Frauen, die in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis stehen oder sich im Studium befinden (§ 1 Abs. 1 MuSchG), sondern nach § 1 Abs. 2 S. 1 MuSchG auch Frauen in einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV (u.a. Fremdgeschäftsführerinnen einer GmbH werden erfasst).
Unabhängig davon ist der Geltungsbereich des MuSchG in folgenden Fällen auch eröffnet (§ 1 Abs. 2 S. 2 MuSchG):
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Frauen in betrieblicher Berufsausbildung i.S.v.§ 26 BBiG, |
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Frauen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind, |
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Entwicklungshelferinnen, wobei §§ 18–22 MuSchG nicht auf sie anwendbar sind, |
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Freiwillige i.S.d. Jugend- oder Bundesfreiwilligengesetzes, |
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Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen oder Angehörige ähnlicher Einrichtungen auf Planstellen oder in Gestellungsverhältnissen, |
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Heimarbeiterinnen oder ihnen Gleichgestellte i.S.d. § 1 HAG, wobei §§ 10 und 14 MuSchG nicht auf sie anwendbar sind und § 9 Abs. 1–5 MuSchG entsprechend, |
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arbeitnehmerähnliche Personen, |
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Schülerinnen und Studentinnen, wobei §§ 17–24 MuSchG nicht auf sie anwendbar sind. |
Andererseits sind Frauen, die als Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) tätig sind, ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen, § 1 Abs. 3 MuSchG. Für sie gelten Sonderbestimmungen.
Rz. 1276
In Betrieben und Verwaltungen, in denen regelmäßig mehr als drei Frauen beschäftigt werden, ist nach § 26 Abs. 1 MuSchG ein Abdruck des MuSchG an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen oder auszuhängen. Dieselbe Verpflichtung trifft den, der Heimarbeit ausgibt oder abnimmt, für die Räume der Ausgabe oder Abnahme (§ 26 Abs. 2 MuSchG).
Rz. 1277
Die Einhaltung der dem Arbeitgeber nach dem MuSchG auferlegten Verpflichtungen setzt naturgemäß voraus, dass er von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin Kenntnis erlangt. Einen Anspruch darauf oder gar auf die frühestmögliche Mitteilung der Schwangerschaft hat der Arbeitgeber freilich nicht. In § 15 Abs. 1 S. 1 MuSchG ist die Mitteilungspflicht vielmehr als Obliegenheit der Arbeitnehmerin ausgestaltet, insofern dort formuliert ist, dass werdende Mütter dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung mitteilen sollen, sobald ihnen ihr Zustand bekannt ist. Diese Obliegenheit ist jedoch nicht erzwingbar und führt auch nicht zu einem automatischen Verlust des Sonderkündigungsschutzes (BAG v. 13.6.1996, NZA 1996, 1154). Darüber hinaus soll die schwangere Arbeitnehmerin das Zeugnis samt voraussichtlichem Entbindungsdatum eines Arztes, einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers vorlegen, wenn dies der Arbeitgeber verlangt, vgl. § 15 Abs. 2 MuSchG. Hat die Arbeitnehmerin das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt, ist sie verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet, etwa aufgrund einer Fehlgeburt. Dies gilt auch für den Fall, dass sich der Arbeitgeber mit der Annahme ihrer Dienste in Verzug befindet und eine von ihm erklärte Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 MuSchG rechtskräftig für rechtsunwirksam erklärt worden ist (BAG v. 18.1.2000, DB 2000, 2276 = NZA 2000, 1157). Hat sie diese Mitteilung schuldhaft unterlassen und hat der Arbeitgeber deshalb das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt, so kann er die "Nichtbeendigung" des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche der Arbeitnehmerin auf Entgelt gleichwohl nicht als Schaden geltend machen (BAG v. 18.1.2000, DB 2000, 2276).
Rz. 1278
Der Arbeitgeber hat die Aufsichtsbehörde nach § 27 MuSchG unverzüglich von der Mitteilung der werdenden Mutter zu benachrichtigen. Zweckmäßigerweise erfolgt dies auf den hierfür vorgesehenen Formblättern. Darüber hinaus darf er die Mitteilung Dritten nicht unbefugt bekannt geben (§ 27 Abs. 1 S. 2 MuSchG). Regelmäßig wird die Bekanntgabe nur zulässig sein, wenn die werdende Mutter hiermit einverstanden ist.
Rz. 1279
Hinweis
Die Betriebsratsaufgaben können es erforderlich machen, dass auch der Betriebsrat von der Mitteilung der we...