Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1020
Dem Arbeitnehmer steht ein Entgeltfortzahlungsanspruch bis zur Dauer von 6 Wochen zu, wenn der Arbeitnehmer an einer bewilligten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation teilnimmt und aus diesem Grund an der Arbeit verhindert ist (§ 9 Abs. 1 i.V.m. § 3 EFZG). Die Maßnahme kann ambulant oder stationär erbracht werden (BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 298/15, juris). Da § 9 EFZG auf § 3 EFZG (Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) verweist, entfällt der Anspruch, wenn der Arbeitnehmer die notwendig gewordene Maßnahme schuldhaft herbeigeführt hat.
Rz. 1021
Bei einem pflichtversicherten Arbeitnehmer muss gem. § 9 Abs. 1 S. 1 EFZG ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger die Maßnahme bewilligen. Der Bewilligungsbescheid muss vor Antritt der Maßnahme vorliegen, andernfalls scheidet ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus (Schaub/Linck, ArbRHB, § 99 Rn 8). Darüber hinaus ist die Maßnahme in einer Einrichtung durchzuführen, die den Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 SGB V entspricht, und die Durchführung muss zu einer maßgeblichen Gestaltung der Lebensführung des Arbeitnehmers während seines Aufenthaltes in der Einrichtung geführt haben (BAG v. 19.1.2000 – 5 AZR 685/98, NZA 2000, 773 = BB 2000, 1526). Danach sind Einrichtungen der Vorsorge oder Rehabilitation solche, die der stationären Behandlung der Patienten dienen und in denen die Patienten untergebracht und verpflegt werden können. Einrichtungen, die lediglich der ambulanten Versorgung dienen, erfüllen nicht diese Voraussetzungen. Demzufolge hat das BAG entschieden, dass eine Freistellung mit Entgeltfortzahlung bei einem Wellnesscenter oder einem Thermalbad ausscheide, da es hier schon an Unterbringungsmöglichkeiten für die Patienten fehle (BAG v. 25.5.2016 – 5 AZR 298/15, juris). Keine medizinischen Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne des § 9 EFZG sind überdies sogenannte Erholungskuren, die ohne akuten Krankheitsanlass nur der Vorbeugung gegen allgemeine Abnutzungserscheinungen oder der bloßen Verbesserung des Allgemeinbefindens dienen bzw. die in einem urlaubsmäßigen Zuschnitt verbracht werden können (LAG Niedersachsen v. 27.3.2015 – 10 Sa 1005/14, juris).
Rz. 1022
Sofern der Arbeitnehmer nicht in der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung versichert ist, reicht es gem. § 9 Abs. 1 S. 2 EFZG aus, wenn die Maßnahme ärztlich verordnet ist. Dem Arbeitnehmer steht hierbei eine freie Arztwahl zu, er ist nicht verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers einen Vertrauensarzt einzuschalten (ErfK/Reinhard, § 9 EFZG Rn 9). Es reicht weiterhin aus, dass die Maßnahme in einer Einrichtung stattfindet, die mit den vom Sozialversicherungsträger anerkannten Einrichtungen vergleichbar ist (§ 9 Abs. 1 S. 2 EFZG).
Rz. 1023
Mangels entgegenstehender besonderer Umstände ist im Regelfall davon auszugehen, dass bei einer derartigen Kur die medizinische Notwendigkeit gegeben ist und auch eine dem Kur-zweck entsprechende sachgerechte Durchführung der Kurmaßnahme gewährleistet ist (BAG v. 14.11.1979 – 5 AZR 930/77, DB 1980, 551). In begründeten Fällen kann der Arbeitgeber jedoch Zweifel geltend machen (vgl. BAG v. 14.11.1979 – 5 AZR 930/77, DB 1980, 551 – hier hat der Arbeitgeber einen "urlaubsmäßigen Zuschnitt" der Kur behauptet). Die Arbeitsgerichte überprüfen die Ermessensentscheidungen nur dann, wenn ein offensichtlicher Missbrauch vorliegt. Hierzu bedarf es aber eines substantiierten Tatsachenvortrages des Arbeitgebers.
Rz. 1024
Tritt während der Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation eine Krankheit ein, die über die Kurzeit hinausgeht und Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, folgt aus dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch insgesamt nur für die Dauer von sechs Wochen besteht.
Rz. 1025
Schließt sich an eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit aus diesem Anlass der Krankheit eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation an, kann ebenfalls für insgesamt sechs Wochen Entgeltfortzahlung verlangt werden, selbst wenn der Arbeitnehmer zwischen Krankheit und Kur für einige Zeit, aber weniger als sechs Monate, arbeitsfähig war. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 3 Abs. 1 S. 3 EFZG. Es gilt hier das Gleiche wie bei den Fortsetzungserkrankungen, sodass zwischen Krankheit und Kur ein Fortsetzungszusammenhang anzunehmen ist (BAG v. 22.8.1984 – 5 AZR 489/81, NZA 1985, 359 = DB 1985, 659).