Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 188
Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), anzeigen (§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG). Die Anzeige hat daher regelmäßig am ersten Tag während der Betriebszeit zu erfolgen (BAG v. 31.8.1989, DB 1990, 790 = NZA 1990, 433).
Rz. 189
Die Anzeigepflicht erfasst auch den Fall, dass eine Erkrankung über die mitgeteilte voraussichtliche Dauer hinaus weiter anhält. § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG ist nämlich nicht dahin zu verstehen, dass nur die Ersterkrankung und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen sind. Dies gilt selbst dann, wenn die Sechs-Wochen-Frist abgelaufen ist. Die unverzügliche Anzeige soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich auf das Fehlen des Arbeitnehmers einstellen zu können. Die Anzeige unterliegt keiner Form.
Rz. 190
Das Interesse des Arbeitgebers an einer Schnellunterrichtung über die Arbeitsunfähigkeit ist wegen der Auswirkungen auf den Betriebsablauf i.d.R. größer als an einem ärztlichen Attest, sodass dessen Vorlage nicht unverzüglich zu erfolgen braucht.
Rz. 191
Von der Anzeigepflicht zu unterscheiden ist die Nachweispflicht (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG). Dauert die Krankheit länger als drei Kalendertage, muss der Arbeitnehmer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag den schriftlichen Nachweis in Gestalt der Vorlage der ärztlichen Bescheinigung erbringen (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG). Für die Berechnung der Drei-Tage-Frist gelten §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Auch § 193 BGB ist zu beachten, wonach bei Fristende an einem Sonn- oder Feiertag bzw. an einem Sonnabend an deren Stelle der nächste Werktag tritt. Der Arbeitgeber kann die ärztliche Bescheinigung auch schon vorher verlangen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG). Zur arbeitsvertraglichen Vereinbarung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG vgl. BAG v. 1.10.1997, NZA 1998, 370.
Rz. 192
Die nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG zulässige Anweisung des Arbeitgebers, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit unabhängig von deren Dauer generell durch eine vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorzulegende Bescheinigung nachzuweisen, betrifft eine Frage der betrieblichen Ordnung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mit einem danach bestehenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates (BAG v. 25.1.2000, NZA 2000, 665). Der sich auf eine ihm günstige betriebliche Übung berufende Arbeitnehmer ist darlegungspflichtig für eine Mitteilung oder sonstige Verhaltensweise des Arbeitgebers an bzw. gegenüber der Belegschaft, aus der die Beschäftigten nach Treu und Glauben schließen durften, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 886/11).
Rz. 193
Ist der Arbeitnehmer demnach nur zwei Tage arbeitsunfähig krank, unterliegt er nicht der Nachweispflicht in Gestalt der Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Nimmt der Arbeitnehmer zu Beginn einer Krankheit zunächst berechtigt an, er werde höchstens drei Kalendertage arbeitsunfähig sein, stellt sich später aber heraus, dass die Krankheit doch länger als drei Tage dauert, dann bleibt er von der Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die ersten drei Tage der Krankheit befreit, wenn er für sie kein – rückwirkendes – Attest erhalten kann (Hess. LAG v. 31.10.1990, DB 1991, 1179).
Rz. 194
Bei berechtigten Zweifeln des Arbeitgebers am Vorliegen einer nach § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG nicht nachweispflichtigen Kurzerkrankung, etwa weil sich die Kurzerkrankungen auffallend häufig ergeben oder wenn das Verhalten des Arbeitnehmers Zweifel am Vorliegen einer Kurzerkrankung begründet, muss der Arbeitgeber nicht in jedem Fall Entgeltfortzahlung ohne Nachweis der Erkrankung leisten. Zum einen hat er die bereits erwähnte Möglichkeit, nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG vorzugehen, zum anderen trägt der Arbeitnehmer im Bestreitensfall die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Entgeltfortzahlungsanspruches nach § 3 EFZG.