Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 643
Der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG grds. für die Dauer von sechs Wochen, also 42 Kalendertagen. Beginn und Ende berechnen sich nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Ist der Arbeitnehmer bei Vertragsbeginn arbeitsunfähig krank, läuft der 6-Wochen-Zeitraum ab dem Beginn der Erkrankung. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht erst dann, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat, § 3 Abs. 3 EFZG. Wird das Arbeitsverhältnis eines erkrankten Arbeitnehmers vor Ablauf der vierwöchigen Wartefrist wieder beendet, ist die Entstehung eines Entgeltfortzahlungsanspruches ausgeschlossen. Erkrankt der Arbeitnehmer während der vierwöchigen Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG und dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als vier Wochen, so entsteht dann ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen (BAG v. 26.5.1999, NZA 1999, 1273). In die Wartezeit fallende Krankheitstage werden allerdings nicht einbezogen. Der Arbeitgeber kann sich seiner Pflichten nicht dadurch entziehen, indem er dem Arbeitnehmer noch während der Wartezeit kündigt. Dem steht § 8 Abs. 1 S. 1 EFZG entgegen. Danach darf das Arbeitsverhältnis nicht aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden. Diese Vorschrift ist geschaffen worden, um zu vermeiden, dass sich der Arbeitgeber zulasten der Sozialversicherung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungspflicht entzieht.
Rz. 644
Der Entgeltfortzahlungsanspruch entfällt grds. wenn das Arbeitsverhältnis ruht, etwa bei Absolvierung des Zivil- oder Wehrdienstes, Elternzeit, Erziehungsurlaub. Der Anspruch endet grds. mit Ablauf von sechs Wochen oder mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG (vgl. aber § 8 EFZG im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit). Erkrankt der Arbeitnehmer während eines ruhenden Arbeitsverhältnisses (hier: Erziehungsurlaub), wird die Zeit des Ruhens nicht auf den 6-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 EFZG angerechnet. Dieser Zeitraum beginnt nicht mit der Erkrankung, sondern erst mit der tatsächlichen Verhinderung an der Arbeitsleistung infolge der Krankheit. Das ist der Zeitpunkt der Aktualisierung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG v. 29.9.2004 – 5 AZR 558/03).
Rz. 645
Eine wiederholte Erkrankung liegt dann vor, wenn die Krankheit eine andere Ursache hat. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer für jede Erkrankung Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zu sechs Wochen. Dies folgt aus der Gegenüberstellung von § 3 Abs. 1 S. 1 und § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG.
Rz. 646
Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Erkrankung erneut arbeitsunfähig, hat er nach § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist. Erkrankt ein Arbeitnehmer wiederholt an derselben Erkrankung, so hat er nur einmal Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zu 42 Tagen.
Rz. 647
Die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruches nach § 4 EFZG richtet sich nach dem Lohnausfallprinzip. Endet der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers nach Ablauf der 6-Wochen-Frist an einem Tage während des laufenden Monats, ist der anteilige Gehaltsanspruch in der Weise zu berechnen, dass das monatliche Bruttogehalt durch die in dem betreffenden Monat tatsächlich anfallenden Tage einschließlich der gesetzlichen Feiertage geteilt und der sich danach ergebende Betrag mit der Anzahl der krankheitsbedingt ausgefallenen Arbeitstage multipliziert wird (konkrete Berechnungsweise auf der Grundlage des Lohnausfallprinzips; bei Erkrankung von Berufsfußballspielern (vgl. BAG v. 6.12.1995, BB 1996, 699 = NZA 1996, 640; BAG v. 14.8.1985, BB 1986, 198).
Rz. 648
In seinem Urt. v. 10.7.1996 (BB 1997, 333 = ArbuR 1996, 459) hat das BAG über die Berechnung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für im Freischichtenmodell beschäftigte Arbeitnehmer nach § 8 Nr. 8 i.V.m. § 15 Nr. 1a MTV-Metall NW i.d.F. v. 30.4.1980 entschieden, dass bei der Berechnung der zugrunde zu legenden Zahl der Arbeitsstunden im Referenzzeitraum auch die Freischichten einzubeziehen sind. Für die Bemessung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sei entscheidend, wie viele Arbeitsstunden der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum zu leisten hatte. Würde man die Freischichten nicht als Arbeitstage ansehen, käme man zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit eine höhere Vergütung erhalten würde als im Fall der tatsächlichen Arbeitsleistung. Dass eine derartige Besserstellung dem Willen der Tarifparteien entspreche, sei jedoch nicht ersichtlich. Zur Bemessungsgrundlage der Entgeltfortzahlung bei einzelvertraglicher Vereinbarung eines Freizeitausgleichs statt tariflich bestimmter Zahlung s. LAG Mainz v. 28.10.2011 – 9 Sa 238/11.