Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 33
Eine Abmahnung erfüllt ihre Rüge- und Warnfunktion als Voraussetzung einer Kündigung nur dann, wenn es sich um ein Fehlverhalten im Wiederholungsfall handelt. Dies bedeutet aber nicht, dass eine auf Störungen im Leistungsbereich gestützte Kündigung automatisch sozial gerechtfertigt gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG oder als außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB wirksam ist, wenn der Arbeitnehmer ein zuvor abgemahntes Fehlverhalten erneut begeht. Mit der erteilten Abmahnung ist nur eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung erfüllt. Daneben können die Bedeutung und Schwere des Pflichtenverstoßes, die dadurch beeinträchtigten betrieblichen Interessen und damit allgemein die anzustellende Interessenabwägung ausschlaggebend sein. Das zur Kündigung führende und das zuvor abgemahnte Verhalten müssen nicht identisch, aber gleichartig sein.
Rz. 34
Abmahnungssachverhalt und Kündigungssachverhalt müssen zumindest auf der gleichen Ebene liegen. Die Pflichtwidrigkeiten müssen aus demselben Bereich stammen, d.h. Abmahnung und Kündigungsgründe müssen in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589 = NJW 2008, 1900). In einem Urteil des BAG aus dem Jahr 1985 (BAG v. 27.2.1985 – 7 AZR 525/83, RzK I 1 Nr. 5). war ein Arbeitnehmer dreimal abgemahnt worden, weil er an einer dienstlichen Besprechung nicht teilgenommen, einen bestimmten Auftrag nicht fristgerecht erledigt und die Arbeitszeit nicht eingehalten hatte. Das BAG hat eine einheitliche Betrachtungsweise abgelehnt, weil es sich bei den abgemahnten Pflichtwidrigkeiten nicht um gleichartige Wiederholungsverstöße gehandelt habe. Arbeitszeitverstöße seien nach der Abmahnung nicht erneut aufgetreten. Ein mit dem Nichterscheinen zu dem Besprechungstermin vergleichbarer Fall habe sich ebenfalls nicht ereignet und die Beklagte habe in Zusammenhang mit der gerügten nicht termingerechten Fertigstellung eines Berichtes keinen erneuten gleich gelagerten Vorwurf erhoben.
Rz. 35
Eine zusammenfassende Betrachtung mehrerer abgemahnter Pflichtenverstöße kann daher eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn die Pflichtverstöße gleichartig, wenn auch nicht unbedingt identisch sind (LAG Berlin v. 5.12.1995 – 12 Sa 111/95, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 52). Von gleichartigen Pflichtverletzungen kann gesprochen werden, wenn sie auf einer Ebene liegen und Ausdruck einer spezifischen Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers sind.
Rz. 36
Beispiele für gleichartige Pflichtverletzungen
Gegenstand der Abmahnung: |
Kündigungsgrund: |
Nicht rechtzeitige Vorlage von Ergebnisprotokollen über "Jahresdurchsprachen" bei Großkunden |
Keine persönliche Durchführung von "Jahresdurchsprachen" bei Großkunden (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589 = NJW 2008, 1900 |
Unpünktlichkeit |
Vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes oder Überziehung des gestatteten späteren Dienstantrittes (BAG v. 17.3.1988 – 2 AZR 576/87, BB 1989, 289 = NZA 1989, 261) |
Verletzung der Meldepflicht bei Arbeitsunfähigkeit |
Nichterscheinen des Arbeitnehmers zur Rücksprache bei seinem Vorgesetzten (LAG Hessen v. 7.7.1997 – 16 Sa 2328/96, NZA 1998, 822) |
Vorzeitiges Verlassen einer Baustelle |
Kartenspielen während der Arbeitszeit (LAG Berlin v. 18.1.1988 – 9 Sa 118/87, LAGE Nr. 31 § 626 BGB) |
Unentschuldigtes Fehlen |
Nicht rechtzeitig mitgeteilte Verhinderung infolge Arbeitsunfähigkeit (BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 406/03, NZA 2005, 459) |