Rz. 1667

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann es im Einzelfall gebieten, den Arbeitnehmer über den gesetzlichen oder tarifvertraglich bzw. einzelvertraglich vereinbarten Erholungsurlaub hinaus unbezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen. Dies wird insb. anzunehmen sein, wenn besondere, in den Verhältnissen des Arbeitnehmers liegende Umstände gegeben sind und betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Insoweit ist eine sorgfältige Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. LAG Köln v. 11.1.1990, LAGE § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 20; LAG Frankfurt am Main v. 3.10.1985, LAGE § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 12). In diesem Fall ruht die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung wie auch die des Arbeitgebers zur Fortzahlung der Vergütung. Die Verpflichtung zur Beurlaubung kann sich auch aus Tarifverträgen ergeben, wobei teilweise eine Fortzahlung der Vergütung für die Zeit der Beurlaubung normiert ist. Zu prüfen ist in jedem Einzelfall, ob der Arbeitgeber zur Nachgewährung von Urlaub verpflichtet ist, wenn das den Beurlaubungsanspruch auslösende Ereignis in den Zeitraum des beantragten und gewährten Erholungsurlaubes fällt (vgl. zur Nachgewährung von Urlaub bei Freistellungen aus persönlichen Gründen BAG v. 11.1.1966, EZA Nr. 2 zu § 1 BurlG). Im Ergebnis kann die Verneinung einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Nachgewährung von Urlaub somit zu einer Reduzierung des Anspruches auf Mindesturlaub gem. § 3 Abs. 1 BUrlG führen.

 

Rz. 1668

Wichtige Fälle aus der Praxis sind etwa:

Beurlaubung zur Ableistung des Wehrdienstes in der Heimat (BAG v. 27.11.1986 und BAG v. 30.7.1986, AP Nr. 13 zu § 50 BAT, AP Nr. 22 zu § 13 BUrlG);
persönliche Gründe der Freistellung (Eheschließung, silberne oder goldene Hochzeit, Niederkunft der Ehefrau, Tod von Ehegatten oder nahen Angehörigen, Pflege von Ehegatten oder in häuslicher Gemeinschaft lebenden Angehörigen, Umzug des Arbeitnehmers);
Ausübung öffentlicher Ehrenämter, Heranziehung zu Feuerlösch-, Wasserwehr-, Deich- oder Seenotrettungsdiensten;
Tätigkeit in einem Beirat für Landespflege;
Wahrnehmung amtlicher, polizeilicher oder gerichtlicher Termine;
Wahrnehmung von kirchlichen oder lokalhistorischen Feiertagen außerhalb der Regelungen des § 3 Abs. 2 BUrlG i.V.m. den Feiertagsgesetzen der Länder.

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