Rz. 1738

Der Urlaub ist nach § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG grds. an das Kalenderjahr gebunden. Daraus folgt, dass dann, wenn keine der in § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG genannten Übertragungstatbestände eingreifen, der Urlaub verfällt. Zum Verlangen des Arbeitnehmers oder der Pflicht des Arbeitgebers zur Festlegung vgl. Rdn 1769. Hat der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch hingegen rechtzeitig geltend gemacht, so tritt mit Ablauf des Urlaubsjahres kein Verfall ein, wenn der Arbeitgeber die Gewährung verweigert, vielmehr steht dem Arbeitnehmer im Rahmen des Schadenersatzes ein Anspruch auf Naturalrestitution zu (BAG v. 16.5.2017 – 9 AZR 572/16, NJW 2017, 2638). Der Urlaub musste allerdings bislang so rechtzeitig geltend gemacht werden, dass er noch im Urlaubsjahr abgewickelt und genommen werden konnte (BAG v. 7.11.1985, AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung).

 

Rz. 1739

Eine Übertragung des Urlaubsanspruches auf das Vorjahr, also eine Urlaubsnahme im Vorgriff ist ausgeschlossen, da der Urlaubsanspruch erst im nächsten Kalenderjahr entsteht (BAG v. 16.3.1972, AP Nr. 3 zu § 9 BUrlG). Der im Vorgriff gewährte Urlaub ist keine Erfüllung des folgenden Urlaubsanspruches und kann, ohne dass der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegengehalten werden könnte, vom Arbeitnehmer im folgenden Urlaubsjahr noch einmal geltend gemacht werden, ohne dass er zur Rückgewähr des bereits erhaltenen Urlaubsentgeltes verpflichtet wäre. Dies gilt jedenfalls für den gesetzlichen Mindesturlaub und den an das Kalenderjahr anknüpfenden Tarifurlaub (BAG v. 17.1.1974 – 5 AZR 380/73, DB 1974, 196).

 

Rz. 1740

Die Übertragungstatbestände sind in § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG abschließend aufgezählt. Eine Übertragung aus anderen Gründen ist unzulässig und vermag einen Verfall der Urlaubsansprüche nicht zu verhindern. Zur Übertragung genügt das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, ohne dass eine Handlung von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer erforderlich wäre (BAG v. 25.8.1987 – 8 AZR 118/86). Der Wortlaut des § 7 Abs. 3 S. 1 und 2 BurlG entspricht inzwischen jedoch nicht mehr dem geltenden Recht. Aufgrund der Rspr. des EUGH (EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16 – Shimizu, NZA 2018, 1474; EuGH v. 6.11.2018 C-619/16 – Kreuziger, NZA 2018, 1612) ist die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass Urlaubsansprüche nur dann erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die Urlaubsnahme aufklären. Eine entsprechende Dokumentation jener Aufklärung zu Beweiszwecken empfiehlt sich (vgl. Rdn 1708).

 

Rz. 1741

Dringende betriebliche Gründe, die die Übertragung bis zum 31.3. des Folgejahres rechtfertigen, setzen voraus, dass bei Erfüllung der Urlaubsansprüche im Urlaubsjahr ein ordnungsgemäßer Betriebsablauf nicht sichergestellt wäre; es genügt nicht jeder betriebliche Grund; zwingende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Gründe in der Person des Arbeitnehmers, die die Übertragung rechtfertigen können, sind solche, die berechtigt und von einigem Gewicht sind, also solche, die im wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers und zur Erfüllung des Urlaubszweckes eine Übertragung rechtfertigen. Der bloße Wunsch des Arbeitnehmers auf Übertragung reicht nicht aus. Anerkannte Gründe sind die Krankheit des Arbeitnehmers oder die von nahen Familienangehörigen im Urlaubsjahr.

 

Rz. 1742

In der Praxis geschieht es häufig, dass die Arbeitsvertragsparteien eine Übertragung des Urlaubes auf das Folgejahr vereinbaren, ohne dass einer der gesetzlichen Übertragungsgründe vorliegt. Häufig wird auch eine Übertragung über den 31.3. des Folgejahres hinaus vereinbart. Auch gegen eine Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, wonach bereits zum 31.12. des Jahres erloschene Urlaubsansprüche später nachgewährt werden sollen, bestehen keine Bedenken, da es sich um die Verpflichtung zu einer über das BUrlG hinausgehenden Urlaubsleistung handelt, die nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig ist (BAG v. 25.8.1987, AP Nr. 36 zu § 7 BUrlG Abgeltung).

 

Rz. 1743

Liegt ein Übertragungstatbestand i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG vor, muss der Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres genommen werden, anderenfalls verfällt er. Gewährt der Arbeitgeber einen rechtzeitig verlangten Urlaub nicht und verfällt der Urlaub sodann aufgrund seiner Befristung, so wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) gerichteten Schadensersatzanspruch um (BAG v. 16.5.2017 – 9 AZR 572/16, NJW 2017, 2638).

In der Erhebung einer Kündigungsschutzklage lag bislang ohne besondere Anhaltspunkte nicht die Geltendmachung von Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüchen (BAG v. 21.9.1999 – 9 AZR 705/98, NZA 2000, 590; BAG v. 21.2.2012 – 9 AZR 486/10, NZA 2012, 750). Der Verfall der Ansprüche zum 31.3. des Folgejahres trat bislang auch dann ein, wenn die gesetzlichen Übertragungsgründe weiter fortbestehen (BAG v. 23.7.1987, BAG v. 24.11.1987, BAG v. 3.11.1988, BAG v. 20.4.1989,...

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