Rz. 91
Der Klageerhebung stehen in ihrer Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 BGB verschiedene weitere Formen der Rechtsverfolgung gleich – soweit im vorliegend interessierenden Zusammenhang von Interesse – insbesondere auch die Zustellung eines Mahnbescheides im Mahnverfahren oder – etwa in grenzüberschreitenden Fällen – eines Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl EU Nr. L 399 S. 1; § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
Rz. 92
Mahnbescheid bzw. Zahlungsbefehl müssen zu diesem Zweck zumindest erkennen lassen, welcher Anspruch geltend gemacht wird (Individualisierung, vgl. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), eine Substantiierung wird demgegenüber nicht gefordert. Was für eine hinreichende Bezeichnung des Anspruches erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Für die erforderliche Individualisierung der geltend gemachten Ansprüche genügt es, wenn der Schuldner selbst – etwa anhand einer im Mahnbescheid genannten und ihm bekannten Forderungsaufstellung – erkennen kann, um welche Forderungen es geht. Ein Schreibversehen muss auch nicht unbedingt erheblich sein: Unterschreitet der im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids angegebene Gesamtbetrag der geltend gemachten Ansprüche geringfügig den in einem vorprozessualen Anspruchsschreiben genannten Gesamtbetrag, auf das ohne dessen Beifügung zur Individualisierung der Ansprüche Bezug genommen wird, ist dies unschädlich, wenn für den Antragsgegner ohne weiteres ersichtlich ist, dass es sich um ein Schreibversehen handelt. Auch die Zustellung eines Mahnbescheids bzw. Zahlungsbefehls wirkt – wie die einer Klage (siehe oben) – gegebenenfalls gem. §§ 167, 696 Abs. 3 ZPO auf den Eingang des entsprechenden Antrags zurück, wenn die Streitsache alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird. Für das Stellen eines Abgabeantrags steht dem Gläubiger insoweit eine Zeitspanne von 14 Tagen zur Verfügung. Maßgeblich ist die Zustellung, nicht hingegen die Rechtshängigkeit. Unter Umständen kann der Telos von § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB selbst bei fehlerhafter Zustellung gewahrt sein, wenn der Anspruchsgegner in unverjährter Zeit vom Erlass des Mahnbescheids sowie von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat und die Wirksamkeit der Zustellung noch in unverjährter Zeit gerichtlich überprüft wird. Wie generell kann ausnahmsweise auch – z.B. bei bewusst falschen Angaben im Mahnbescheidantrag – dem Einreichenden eine Berufung auf die Hemmung der Verjährung nach § 242 BGB verwehrt sein.