Rz. 93
Eine Verjährungshemmung kann – gemäß der durch Art. 6 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz vom 19.2.2016 eingefügten Neuregelung – auch durch Veranlassung der Bekanntgabe eines Streitbeilegungsantrages bei staatlichen/staatlich anerkannten (§ 204 Abs. 1 Nr. 4a BGB) oder – im Einvernehmen mit dem Antragsgegner – auch bei einer anderen Streitbeilegungsstelle (ehedem: Gütestelle; § 204 Abs. 1 Nr. 4b), wenn der Antrag dem Gegner demnächst bekannt gegeben wird.
Hinsichtlich letztgenannter Voraussetzung ("demnächst") kann grundsätzlich auf das zur Klageeinreichung bereits Ausgeführte Bezug genommen werden. Unschädlich für die Hemmungswirkung ist es, wenn eine örtlich oder sachlich unzuständige Streitbeilegungsstelle angerufen wird.
Rz. 94
Damit die Verjährung eines Anspruchs durch einen Güteantrag gehemmt werden kann, muss dieser Anspruch in dem Antrag ausreichend individualisiert sein. Diese Individualisierung kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden. Dazu muss der Güteantrag zum einen die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden und zum anderen für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Der Güteantrag muss dementsprechend einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Allerdings sind insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Denn das Güteverfahren zielt – anders als die Klageerhebung oder das Mahnverfahren – auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Streits ab und führt erst im Falle einer Einigung der Parteien zur Schaffung eines dieser Einigung entsprechenden vollstreckbaren Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); auch besteht keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss.
Rz. 95
Sofern es eines Einvernehmens des Antragsgegners bedarf, wird ein solches unwiderleglich vermutet, wenn ein Verbraucher eine Verbraucherschlichtungsstelle, eine branchengebundene andere Gütestelle oder eine andere Gütestelle der IHK, der Handwerkskammer oder einer Innung angerufen hat (§ 15a Abs. 3 S. 2 EGZPO); und zwar – grundsätzlich – selbst dann, wenn der Anspruchsgegner oder die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ablehnt. Andererseits soll die Einleitung eines Güteverfahrens – generell, das heißt auch in den Fällen des § 204 Abs. 1 Nr. 4a BGB – wenn rechtsmissbräuchlich sein und dem Gläubiger daher eine Berufung auf die Hemmungswirkung nach § 242 BGB verwehrt sein, wenn etwa schon vor der Einreichung des Güteantrags feststehe, dass der Antragsgegner nicht bereit sei, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld eindeutig mitgeteilt hat. Das ist – jedenfalls inzwischen – schon in systematischer Auslegung mit der vom Gesetzgeber in § 204 Abs. 1 Nr. 4a und b BGB vorgenommene Differenzierung wie auch der vorgenannten Rechtsprechung nicht mehr in Einklang zu bringen. Richtigerweise ist es schließlich auch nach Ansicht des nämlichen Senats des Bundesgerichtshofs nicht als Rechtsmissbrauch zu qualifizieren, wenn ein Gütestellenantrag alleine zum Zwecke der Verjährungshemmung gestellt wird.