Rz. 67
An die Stelle der früheren "Unterbrechung" der Verjährung ist seit 1.1.2002 deren "Neubeginn" getreten. In – freilich nunmehr erheblich beschränkteren – bestimmten Fallkonstellationen beginnt gem. § 212 BGB die Verjährungsfrist erneut zu laufen, namentlich, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch anerkennt (Abs. 1 Nr. 1) oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird (Nr. 2).
Dies wirkt auch zugunsten eines Rechtsnachfolgers des Gläubigers. Bei Gesamtschuldnern hat der Neubeginn jedoch grundsätzlich nur Einzelwirkung, § 425 Abs. 2 BGB. Anderes gilt freilich nach § 115 Abs. 2 S. 4 VVG für das Gesamtschuldverhältnis zwischen Versicherer und Versichertem.
Der "Neubeginn" gilt anerkanntermaßen taggenau, also auch bei einem Neubeginn etwa der regelmäßigen Verjährungsfrist, die an sich mit Ende des Jahres zu laufen beginnt.
Rz. 68
Von den beiden in § 212 BGB vorgesehen Fällen eines Neubeginns der Verjährung ist für das Unfallhaftpflichtrecht das Anerkenntnis von besonderer Bedeutung. Ein solches Anerkenntnis im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfordert zwar kein deklaratorisches oder gar abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB), ist von solchen jedoch zugleich stets mitumfasst. Es genügt dafür darüber hinaus aber auch schon ein rein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruches unzweideutig entnehmen lässt und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird. Weil das Anerkenntnis zwar kein Rechtsgeschäft, aber immerhin eine geschäftsähnliche Handlung darstellt, ist einerseits Geschäftsfähigkeit erforderlich, treten jedoch andererseits die verjährungsrechtlichen Folgen unabhängig vom Vorliegen eines entsprechenden Willens des Schuldners ein. Selbst eine "Abschlagszahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" kann unter Umständen als Anerkenntnis im vorgenannten Sinne zu werten sein. Ein Anerkenntnis kann außer durch die gesetzlich enumerierten Verhaltensweisen der Abschlags- oder Zinszahlung oder Sicherheitsleistung auch schlüssig ("in anderer Weise") erfolgen, sofern darin das erforderliche Bewusstsein unzweideutig zum Ausdruck kommt. In der Bitte um Stundung kann danach ebenso ein tatsächliches Eingeständnis der Schuld liegen wie in der Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung gegen eine unbestrittene. Entsprechendes kann auch für ein Vergleichsangebot gelten, falls darin – ausnahmsweise – zum Ausdruck kommt, dass beispielsweise auch für den Fall des Scheiterns der Vergleichsverhandlungen der Anspruch dem Grunde nach nicht bestritten werden soll. Ein nach Ablauf der Verjährungsfrist abgegebenes Anerkenntnis beseitigt die Verjährung nicht. Es kann gegebenenfalls aber als Verzicht auf die Verjährungseinrede zu werten sein.
Rz. 69
Ein Anerkenntnis dem Grunde nach wirkt für den gesamten Anspruch und – mangels ausdrücklicher Begrenzung – auch der Höhe nach unbeschränkt. Gleiches gilt für undifferenzierte Abschlagszahlungen oder wenn der Schuldner anforderungsgemäß wiederholt vorbehaltlos Ersatz auf einzelne Schadensgruppen (Heilungskosten, Erwerbsschaden, Mehrbedarf) des Personenschadens des Geschädigten leistet. Demgegenüber führt ein ausdrücklich auf einen Teil (oder auch eine Quote) des Anspruches beschränktes Anerkenntnis auch nur hinsichtlich dieses Teils zu einem Neubeginn der Verjährung. Entsprechendes ist anzunehmen, wenn eine Leistungsverpflichtung explizit nur für einen bestimmten Anspruchsgrund (z.B. für eigene Haftung nicht aber für etwaige Ansprüche Dritter) anerkannt wird.
Rz. 70
Das Anerkenntnis muss seitens des Schuldners oder seines Vertreters gegenüber dem Gläubiger erfolgen. Anerkenntnisse des (Kraftfahrzeug-)Haftpflichtversicherers muss der (mit-)versicherte Schädiger grundsätzlich gegen sich gelten lassen; und zwar über die Deckungssumme hinaus und selbst bei Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Versicherten. Im Übrigen ist zu beachten, dass nach zutreffender neuerer Rechtsprechung – entgegen früherer Rechtsprechung – die Regulierungszusage des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Geschädigten regelmäßig dahin zu verstehen ist, dass der Versicherer seinem Versicherungsnehmer gegenüber deckungspflichtig ist und in dessen Namen den Haftpflichtanspruch anerkennt; darin liegt – sogar – ein beide Rechtsverhältnisse umfassendes, den Versicherer wie den Versicherungsnehmer verpflichtendes deklaratorisches (kausales) Anerkenntnis gegenüber dem Geschädigten, mithin – erst recht – ein solches im Sinne von § 212 BGB.
Rz. 71
Dies soll aber nicht gelten, wenn der Versicherer nach Versagung des Deckungsschutzes Abschlagszahlungen erbringt, weil er dem Dritten oder dessen Rechtsnachfolger leistungspflichtig ist (oder dies wenigstens annimmt); denn dann handelt er nur im eigenen Namen.