1. Einkommensteuer
Rz. 89
Gleichgültig, ob bzw. welche Regelungen in der Satzung einer Kapitalgesellschaft für den Fall des Todes eines Gesellschafters vereinbart sind, wird der Anteil zunächst im Weg der Gesamtrechtsnachfolge (insoweit also keine Singularsukzession) vererbt. Dies hat keine einkommensteuerrechtlichen Folgen, weder für den oder die Erben noch auf der Ebene des Erblassers. Kommt es aber anschließend zu einer Zwangseinziehung gegen Entgelt (Einziehungsvergütung, Abfindung), kann dies für die betroffenen Erben einkommensteuerlich relevant sein. Dies setzt voraus, dass der Erbe (mit der ererbten und ggf. sonst in seinem Eigentum stehenden Anteilen) an der betroffenen Kapitalgesellschaft mit 1 % oder mehr beteiligt ist. In diesem Fall unterliegt eine Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung einer Besteuerung nach § 17 EStG. Der erzielte Gewinn (oder Verlust) ist nach dem sog. Teileinkünfteverfahren (nicht Abgeltungssteuer) zu besteuern. Voraussetzung für das Entstehen einer Steuerlast ist aber selbstverständlich die Erzielung eines Gewinns, dass also das Einziehungs- oder Abtretungsentgelt die ursprünglichen Anschaffungskosten der Anteile übersteigt.
2. Erbschaftsteuer
Rz. 90
Erben bzw. Vermächtnisnehmer des verstorbenen Gesellschafters erwerben die ihnen zufallenden Geschäftsanteile bzw. Aktien im Wege eines Erwerbs von Todes wegen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. So lange der Kapitalgesellschaftsanteil beim Erben bzw. Vermächtnisnehmer des verstorbenen Gesellschafters verbleibt, also keine Einziehung oder Zwangsabtretung stattfindet, sind insoweit auch die Verschonungsregeln (§§ 13a, 13b, 19a ErbStG) anwendbar, so dass – die Erfüllung sämtlicher weiterer Bedingungen vorausgesetzt – eine sehr weitgehende Steuerfreiheit eintreten kann.
Rz. 91
Im Falle einer späteren zwangsweisen Einziehung oder Abtretung der Anteile kommt es jedoch zum Verlust der Verschonungen (Verstoß gegen die Behaltenspflichten nach § 13a Abs. 5 ErbStG).
Ist satzungsmäßig die zwangsweise Einziehung oder Abtretung zwingend vorgesehen, gilt § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG, demzufolge als Gegenstand des steuerpflichtigen Erwerbs von vornherein lediglich der Entgelt- bzw. Abfindungsanspruch gilt, nicht aber der Anteil selbst. In diesen Fällen scheidet eine Anwendung von §§ 13a, 13b und 19a ErbStG von vornherein aus.
Rz. 92
Angesichts der gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an die Einziehung von Geschäftsanteilen dürfte eine eindeutige und unumstößliche Satzungsregelung in der Praxis die Ausnahme darstellen. Die Durchführung der Einziehung oder Zwangsabtretung bedarf daher meist noch eines dem Erbfall nachgelagerten zusätzlichen Rechtsakts, z.B. eines Gesellschafterbeschlusses. In dieser Situation wäre – jedenfalls nach dem Gesetz – der Anwendungsbereich der Verschonungsregeln grundsätzlich eröffnet. Die praktische Durchführung der Besteuerung gestaltet sich aber wesentlich einfacher, wenn man § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG weiter auslegt und auch in diesen Fällen anwendet.
Rz. 93
Durch die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils geht nach § 34 GmbHG dieser unter, er ist nach der Einziehung nicht mehr existent. Mithin kann er auch nicht Gegenstand eines steuerpflichtigen Erwerbs durch die Gesellschaft oder die Gesellschafter sein. Ungeachtet dessen steigt aber durch die Einziehung der Wert der durch die verbleibenden Geschäftsanteile vermittelten Beteiligung an der Gesellschaft. Diese Wertsteigerung will der Gesetzgeber auch der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterwerfen. Um dies zu ermöglichen, fingiert § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 ErbStG eine steuerpflichtige Bereicherung der verbleibenden Mitgesellschafter um die Differenz zwischen dem steuerlich maßgeblichen Wert des eingezogenen Anteils (seit 1.1.2009 gemeiner Wert) und der zu leistenden Abfindung. Dasselbe gilt nach § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG auch in Fällen der lebzeitigen (nicht einem Erbfall unmittelbar nachgelagerten) Einziehung. In beiden Fällen sind als Bereicherungsempfänger und somit Steuerpflichtige die Gesellschafter anzusehen, nicht etwa die Gesellschaft.
Rz. 94
Etwas anderes gilt nur, wenn die von Todes wegen erworbenen Gesellschaftsrechte an die Gesellschaft selbst abgetreten werden. Dann ist natürlich – eine unter dem gemeinen Wert liegende Abfindung vorausgesetzt – die Gesellschaft selbst als Erwerberin (und Steuerpflichtige) anzusehen. Anders als die Einziehung führt die Zwangsabtretung nicht zum Untergang der Anteile; diese bestehen vielmehr in der Hand der Kapitalgesellschaft fort.
Rz. 95
In Fällen der Zwangsabtretungen an (alle oder einzelne) Gesellschafter oder an Dritte stellt sich oftmals die Frage, wer eigentlich als Erwerber im erbschaftsteuerrechtlichen Sinne anzusehen ist. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, auf welche Weise der Abtretungsempfänger bestimmt bzw. identifiziert wird. Ist der neue Gesellschafter bereits im Gesellschaftsvertrag als Anspruchsberechtigter benannt, wirkt dies auch steuerrechtlich. Steht aber der Gesellschaft ein Anspruch zu, den sie entweder selbst ausüben oder auf eine...