Rz. 108

Der Jahresabschluss hat gem. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB sämtliche Vermögensgegenstände zu enthalten. In engem systematischen Zusammenhang steht damit die personelle Zurechnung von Vermögensgegenständen. Es ist selbstverständlich, dass im Jahresabschluss nur diejenigen Vermögensgegenstände erscheinen dürfen, die auch dem Vermögen des Kaufmanns zugeordnet werden können. Jeder Kaufmann darf nur "sein" Vermögen erfassen (vgl. §§ 238 Abs. 1, 240 Abs. 1, 242 Abs. 1 HGB). Gegenstände, die zivilrechtlich einem anderen Rechtssubjekt gehören, sind daher grds. nicht zu bilanzieren.

 

Hinweis

Das dem Kaufmann zuzurechnende Vermögen kann ausnahmsweise über das zivilrechtliche Eigentum hinausgehen. Die unbestrittene personelle Zurechnung von sog. wirtschaftlichem Eigentum ist nunmehr (seit Inkrafttreten des BilMoG, dazu o. Rdn 53) auch im HGB verankert (§ 246 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 HGB). Oft wird allerdings verkannt, dass sie nicht aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet wird, sondern dass es stets rechtliche Kriterien sind, die über die bilanzrechtliche Zuordnung eines Gutes entscheiden müssen. Maßgebend ist die zivilrechtliche Analyse der (abgesicherten) Position des Bilanzierenden vor dem Hintergrund der Zweckbestimmung des Jahresabschlusses.[198]

 

Rz. 109

Eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Erfassung wirtschaftlichen Eigentums ist anzunehmen, wenn der Bilanzierende über die Sache die tatsächliche Herrschaft auf Dauer derart ausüben kann, dass er wirtschaftlich über Substanz und Ertrag verfügen kann. Der BGH[199] verlangt überdies, dass der bilanzierende Unternehmer ggü. dem zivilrechtlichen Eigentümer eine auch rechtlich abgesicherte Position innehat, die es ihm ermöglicht, diesen dauerhaft derart von der Einwirkung auf die betreffenden Vermögensgegenstände auszuschließen, dass seinem Herausgabeanspruch bei typischem Verlauf zumindest tatsächlich keine nennenswerte praktische Bedeutung zukommt.

 

Rz. 110

Demgegenüber scheint der BFH[200] einen wirtschaftlichen Ausschluss genügen zu lassen. Dieser liege nicht nur dann vor, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch besteht, sondern auch dann, wenn der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr besitzt. Dies gelte unabhängig davon, ob das Verfügungsrecht, insb. das Recht zur Belastung und Veräußerung, beim zivilrechtlichen Eigentümer verbleibe. Ausschlaggebend sei der wirtschaftliche Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers von der Einwirkung auf die Sache.

 

Rz. 111

Unproblematisch ist die Lösung des personellen Zurechnungsproblems bei unter Eigentumsvorbehalt gelieferten, bei sicherungsübereigneten sowie bei treuhänderisch gebundenen Vermögensgegenständen. Obwohl in diesen Konstellationen die formale Eigentumsposition (Eigentumsvorbehaltsverkäufer, Sicherungsnehmer, Treuhänder) bzw. die Rechtsmacht im Außen- und Innenverhältnis und die zivilrechtliche Nutzungsbefugnis (Eigentumsvorbehaltskäufer, Sicherungsgeber, Treugeber) auseinander fallen, bestehen keinerlei Bedenken, sicherungsweise oder treuhänderisch übereignete Vermögensgegenstände nicht in der Bilanz des formalen Eigentümers (Sicherungsnehmer, Treuhänder), sondern in der des Sicherungsgebers bzw. Treugebers und unter Eigentumsvorbehalt veräußerte Gegenstände in der Bilanz des Eigentumsvorbehaltskäufers zu erfassen. In den genannten Fällen werden bilanzrechtliche Konsequenzen nicht aus einer nebulösen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, sondern aus der zivilrechtlichen Bewertung der Interessenlage gezogen.[201] Dahinter steht die zivilrechtliche Analyse der Rechtsstellung des Vorbehaltskäufers als Anwartschaftsberechtigtem bzw. der Gedanke der durch das Innenverhältnis gebundenen Außenmacht des Treuhänders bzw. Sicherungsnehmers.

 

Rz. 112

Um einen (bilanzierenden) Mieter als wirtschaftlichen Eigentümer ansehen zu können, verlangt der BFH[202] grds., dass

der Mieter nach dem Nutzungsvertrag verlangen kann, ihm den zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstand dinglich zu übertragen oder
ihm das Mietobjekt unwiderruflich zu überlassen, welches nach dem Tod des Vermieters auf ihn übergehen soll,
der Mieter beim Immobilienleasing nach Ablauf der Grundmietzeit verlangen darf, dass das zivilrechtliche Eigentum ohne Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes oder gegen Zahlung eines geringen Entgeltes übertragen wird, oder dass
beim sog. Mietkauf[203] mit Abschluss des Mietvertrages ein künftiger Übernahmekaufpreis bestimmt wird und die Mietzahlungen auf diesen Preis in voller Höhe angerechnet werden.
 

Rz. 113

Ein klassisches Zurechnungsproblem stellt sich im Zusammenhang mit Leasingverträgen. Leasingverträge sind Verträge, durch die einem Vertragspartner (Leasingnehmer) die Nutzung länger lebiger Gebrauchsgüter durch den anderen Vertragspartner (Leasinggeber) gewährt wird. Im Mittelpunkt des bilanzrechtlichen Interesses steht das sog. Finanzierungs-Leasing.[204] Es zeichnet sich zivilrechtlich dadurch aus, da...

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