Rz. 11
Die Parteien können die internationale Zuständigkeit auch im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung festlegen. Insbesondere im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr haben Gerichtsstandsvereinbarungen – neben Schiedsvereinbarungen – eine enorme Bedeutung. Neben der Vorhersehbarkeit des Forums und der damit verbundenen Rechtssicherheit kann durch eine kombinierte Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarung vor allem der Gleichlauf von lex fori und lex causae erreicht werden, so dass das zuständige Gericht das ihm vertraute eigene Sachrecht anwenden kann und keine komplexen Rechtsgutachten zum ausländischen Recht einholen muss. Zudem kann durch eine entsprechende Parteivereinbarung ein neutrales oder auch besonders sachkundiges Gericht gewählt werden. Für die wirtschaftlich oder strukturell schwächere Partei kann der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung dagegen zu Rechtsnachteilen führen, wenn sie ihre Rechte vor den ggf. weit entfernten Heimatgerichten der stärkeren Partei durchsetzen muss.
Eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltet typischerweise sowohl die Wahl eines bestimmten Gerichts (Prorogation) als auch die Abwahl des nach den gesetzlichen Vorschriften zuständigen Gerichts (Derogation). Beide Aspekte sind strikt zu trennen. Denn die Parteien können sich auch dafür entscheiden, nur einzelne gesetzliche Zuständigkeiten abzuwählen oder einen zusätzlichen Gerichtsstand neu zu begründen.
Rz. 12
Die Anforderungen an Zulässigkeit und Wirksamkeit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung richten sich in der Praxis häufig nach Art. 25 EuGVO, der in seinem Anwendungsbereich die Regelung des § 38 ZPO vollständig verdrängt. Für die Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit nach Art. 25 EuGVO genügt es bereits, wenn die Parteien ein Gericht eines EU-Mitgliedstaats gewählt haben und ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt. Die Neufassung der EuGVO hat den persönlichen Anwendungsbereich des Art. 25 EuGVO im Vergleich zu seiner Vorgängernorm nochmals wesentlich erweitert, da nun nicht mehr gefordert wird, dass eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat. Damit können auch Drittstaatenangehörige einen Gerichtsstand innerhalb der EU vereinbaren.
Art. 25 EuGVO stellt vergleichsweise geringe Anforderungen an die Einigung der Parteien und die Form (u.a. Schriftform oder mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung, kaufmännisches Bestätigungsschreiben, E-Mail bei dauerhafter Reproduzierbarkeit). In Art. 25 Abs. 5 EuGVO wird zudem klargestellt, dass die Gerichtsstandsvereinbarung eine vom Hauptvertrag unabhängige Vereinbarung darstellt.
Derogationsverbote bestehen nach Art. 25 Abs. 4 EuGVO allerdings zugunsten der ausschließlichen Zuständigkeiten des Art. 24 EuGVO. In Bezug auf Versicherungs-, Verbraucher- und arbeitsvertragliche Sachen sind Gerichtsstandsvereinbarungen nur nach Maßgabe der Vorschriften der Art. 15, 19, bzw. 23 EuGVO zulässig.
Rz. 13
Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVO richtet sich die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 2 ZPO. Danach können auch die nach § 38 Abs. 1 ZPO nicht prorogationsbefugten Personen für grenzüberschreitende Streitigkeiten eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen. Auch bei Gerichtsstandsvereinbarungen gilt der Grundsatz der Doppelfunktionalität der örtlichen Zuständigkeitsnormen. Wenn die Parteien z.B. die Zuständigkeit des LG Mannheim vereinbaren, liegt darin gleichzeitig die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte in ihrer Gesamtheit. Vereinbaren die Parteien umgekehrt die ausschließliche örtliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts (z.B. Tribunal de Grande Instance de Paris), so derogieren sie damit die internationale Zuständigkeit Deutschlands.
Im Rahmen der Haager Konferenz für IPR wurde wiederholt versucht, staatsvertragliche Regelungen für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen zu vereinbaren. Diese Bemühungen blieben lange Zeit weitgehend erfolglos. Dahingegen ist das am 30.6.2005 beschlossene Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) am 1.10.2015 zunächst für die EU und ihre Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) im Verhältnis zu Mexiko sowie am 1.10.2016 zusätzlich in Singapur in Kraft getreten. Ob auch die USA das Übereinkommen ratifizieren werden und es dadurch eine deutlich größere praktische Bedeutung erlangen wird, bleibt abzuwarten.