Rz. 87
Im Falle des § 2362 BGB "begegnen" sich Erbscheinsverfahren und das Verfahren auf Klärung der Erbfolge im Zivilprozess und damit in einem etwaigen Schiedsgerichtsverfahren. Der wirkliche Erbe muss, wenn er der Ansicht ist, ein Erbschein sei unrichtig, nicht abwarten, bis das Nachlassgericht dessen Einziehung anordnet, vielmehr kann er von dem Besitzer des unrichtigen Erbscheins die Herausgabe an das Nachlassgericht verlangen. Zweckmäßigerweise wird eine solche Herausgabeklage im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO mit einer Erbenfeststellungsklage verbunden, sofern sich der Erbscheinsbesitzer nach wie vor auf sein Erbrecht beruft. Im Herausgabeprozess gilt die Vermutung des § 2365 BGB nicht.
Rz. 88
Da das Herausgabeurteil und auch das Erbenfeststellungsurteil materielle Rechtskraft zwischen den Parteien erzeugen, steht zwischen ihnen im Erbscheinsverfahren ebenfalls die Erbfolge rechtskräftig fest, so dass kein anders lautender Erbschein erteilt werden darf, es sei denn, ein Dritter wäre beteiligt, dem gegenüber die Rechtskraft des Urteils nicht wirkt. Käme man nicht zu diesem Ergebnis, so würde die Rechtskraftwirkung eines Feststellungsurteils letztlich ins Leere gehen.
Rz. 89
Eine Verfassungsbeschwerde gegen eine letztinstanzliche Entscheidung im Erbscheinsverfahren ist unzulässig, da der Erbprätendent zunächst mit der Erbenfeststellungsklage den Rechtsweg vor den Fachgerichten ausschöpfen muss.
Rz. 90
Ein Feststellungsurteil über ein bestehendes Erbrecht hat im Erbscheinsverfahren auch dann Bindungswirkung, wenn dieses als Versäumnisurteil ergangen ist. Die Bindungswirkung des Versäumnisurteils kann nur dann entfallen, wenn es sich aufgrund späterer Erkenntnisse des Nachlassgerichts als falsch herausstellt und dessen Ausnutzung durch den siegreichen Erbprätendenten im Erbscheinsverfahren ausnahmsweise als sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB zu bewerten ist.
Rz. 91
Mit Wirkung seit dem 1.1.2021 wurden bei den Landgerichten Spezialkammern (§ 72a Abs. 1 Nr. 6 GVG) und bei den Oberlandesgerichten Spezialsenate (§ 119a Abs. 1 Nr. 6 GVG) für erbrechtliche Streitigkeiten gebildet. Diese Sonderzuständigkeit gilt für Rechtsstreitigkeiten, die seit dem 1.1.2021 anhängig geworden sind (vgl. § 40a EGGVG).
Rz. 92
Befinden sich Immobilien im Nachlass und ist das Grundbuch zu berichtigen, so kann nach § 35 GBO der Unrichtigkeitsnachweis nur durch einen Erbschein oder eine zweifelsfreie notarielle Verfügung von Todes wegen geführt werden (Nachweistypenzwang). Das bedeutet, dass selbst ein rechtskräftiges Erbenfeststellungsurteil zur Berichtigung des Grundbuchs nicht ausreicht! Etwas anderes gilt für ein stattgebendes Urteil auf Bewilligung der Grundbuchberichtigung, da es dann auf den Unrichtigkeitsnachweis nicht mehr ankommt.